Abschied von der Lebensqualität

Die Sparbeschlüsse sollen jetzt in Zahlen übersetzt werden – im Sozialressort wird gebrütet und gerätselt. Das Papier der Koalition ist hier unklar, da unrealistisch und an anderen Punkten einfach nur bitter. Dabei ist noch nicht mal Land in Sicht

„Niemand glaubt, dass Bremen sich so aus dem Sumpf herauszieht“

Bremen taz ■ „Überprüfen“, „reduzieren“, „rückführen“: Das wolkige Vokabular, mit dem der Koalitionsausschuss seine Sparbeschlüsse formuliert hat, soll jetzt in Zahlen umgesetzt werden. Im Sozialressort wird gebrütet – und gerätselt. Oft ist unklar, was gemeint ist.

Beispiel Kindertagesheime.Von einer „grundlegenden Umstrukturierung der Aufgabenwahrnehmung“ ist im Beschluss die Rede, und nicht nur CDU-Chef Bernd Neumann wusste wenig damit anzufangen (taz von gestern) – auch das Ressort ist ratlos. „Das haben wir nicht verstanden“, heißt es von den Fachleuten. Dass Eltern in den Kindergärten regulär mithelfen sollten, hält man nicht nur hier für abwegig. „Völlig daneben“ nennt das Ilse Wehrmann, Vorsitzende der evangelischen Kitas. „Total realitätsfern“, sagt dazu Anke Teebken vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, Elternarbeit sei ehrenamtlich und ergo nicht fest einzuplanen.

Nächster Punkt: die Deckungsquote, die die Deckung der insgesamt anfallenden Kosten durch die Elternbeiträge angibt, solle mit der anderer Großstädte verglichen werden. 23 Prozent lautet die Vorgabe – Bremen liegt derzeit bei 14 Prozent. Die „23“ hatten Gutachter einst vorgegeben, heißt es aus dem Ressort, sich dabei jedoch auf falsche Zahlen gestützt. Tatsächlich liege die Quote in den Kommunen zwischen neun und 15 Prozent, Bremen stehe gar nicht schlecht da. Was tun mit einem Prüfauftrag, der offenbar von ungültigen Zahlen ausgeht?

Ganz konkret allerdings sind die Kürzungsquoten, die der Personalentwicklungsplan (PEP) vorgibt und die nun auch für den KTH-Bereich gelten sollen. Insgesamt werde das in allen, städtischen wie freien, Kitas 40 bis 50 Stellen kosten, so Schätzungen aus dem Hause von Senatorin Karin Röpke – man habe mit mehr gerechnet. Ilse Wehrmann hält dagegen: „Der KTH-Bereich in Bremen verträgt nicht eine einzige Sparmaßnahme mehr.“

Nächster Punkt auf der Sparliste: die Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF). Ihre Ausstattung solle an den Standard der Stadtstaaten „angepasst“ werden. Im Klartext: Von den derzeit 13 Stellen sollen vier wegfallen.

Auch die Arbeitsmarktprogramme sollen schrumpfen – „auf das unverzichtbare Niveau“, hat die Koalition vornehm formuliert. „Unverzichtbar“ ist das, was das Land zuschießen muss, um das Volumen von ESF- und Drittmitteln weiter zu erhalten. Von derzeit 4,4 Millionen Euro könnten nur die Hälfte bleiben.

Dass alte Menschen die Bremer Wirtschaft ankurbeln könnten – dieser allseits für sinnvoll befundene Ansatz wird nun auch verworfen: Die Investitionsförderung für Heime wird gestrichen. Einst hatte Senatorin Röpke für diese zukunftsträchtige Branche geworben, wollte pflegebedürftige Menschen in Bremen halten, denn die bringen Geld und Arbeitsplätze. Damit ist jetzt Schluss. Wenn Bremen die Fördersumme von bisher rund acht Millionen auf einen Bruchteil herunterfährt – dann steigen die Kosten in den Heimen, Selbstzahler suchen Preiswerteres im Umland und für diejenigen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, muss die öffentliche Hand das mehr bezahlen, was sie an anderer Stelle einspart.

Die Lebensqualität wird sinken und das soziale Miteinander wird leiden, das ist die Botschaft, die viele aus dem Papier herauslesen. „Und doch glaubt niemand“, sagt einer, der mit all dem befasst ist, „dass Bremen sich so aus dem Sumpf herauszieht.“ sgi