Herrenriege braucht frisches Blut

Die „Große von 1823“ sucht dringend Nachwuchs. Die traditionsreiche Karnevalsgesellschaft, die sich rühmt, Kölns älteste zu sein, buhlt um „Jung-Senatoren“. Mit Senatorinnen hat man nichts im Sinn

VON CLAUDIA LEHNEN

Als ihr Jüngster kurz vor seinem 40. Geburtstag stand, begann man sich bei der „Großen von 1823“ Gedanken zu machen. Zwar wird bei der Großen Karnevalsgesellschaft hohes Alter durchaus geschätzt; schließlich rühmt sich die „Große von 1823“ auch als die älteste Karnevalsgesellschaft Kölns. Aber das drohende Aussterben wollten die Vorsitzenden dann bei allem Respekt vor Alter und Tradition doch nicht einfach als unvermeidbaren Nebeneffekt hinnehmen.

Und so kam es, dass die Frackträger zum Ende der vergangenen Session eine „Junge Abteilung“ gründeten. Frisches Blut kann ab sofort nicht nur zu Stammtischen anrücken und einmal monatlich Frack nebst Gattin ausführen, sondern auch Paragliden und an Auto-Rallyes teilnehmen. Es gibt ein Grillfest für „Jung-Senatoren“, wie sich alle nennen dürfen, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und eine Nikolausfahrt für Kinder auf dem Rhein. „Mit klassischen Tanzabenden locken wir die Jungen ja nicht mehr hinter dem Ofen hervor“, sagt Hartmut Jarofke, Rechtsanwalt und Vorsitzender der Karnevalsgesellschaft.

Und tatsächlich kommen seit dieser Verjüngungskur „ganz erheblich“ mehr Anfragen von potenziellen Jungsenatoren, die in den Schoß der „Mutter aller Karnevalsgesellschaften“ aufgenommen werden wollen. Insgesamt gibt es nun schon zwanzig Senatoren unter 40. Was nicht heißt, dass die derzeit 160 Mann starke Truppe alle Interessierten aufnehmen würde. „Wir nehmen natürlich nicht jeden an. Wir wollen schließlich eine klassische Gesellschaft bleiben“, sagt Jarofke. Eine ganze Schar von Eintrittswilligen bringen die Senatoren zu den Stammtischen mit. Nur wer die strenge Richtlinie erfüllt und in den Augen Jarofkes und der anderen Vorsitzenden „zu uns passt“, kann einen Antrag mit der „Bitte um Aufnahme“ ausfüllen.

Die Hälfte der Bevölkerung kommt für einen Eintritt in die traditionsreiche Herrenriege ohnehin nicht in Frage. Frauen werden nicht aufgenommen. Der Grund dafür ist etwas undurchsichtig. Jarofke meint, dass das schon immer so war und dass es sich bei „der Großen von 1823“ schließlich um „eine Traditionsgesellschaft“ handle. Bei allem Bemühen um Modernisierung – Senatorinnen in den Reihen, so weit ist man bei den Frackträgern noch nicht. Was nicht heißt, dass Frauen im Verein vollkommen bedeutungslos wären. „Senator sein, ist eine sehr zeitaufwändige Angelegenheit. Das ohne Frau zu schaffen, ist kaum möglich“, sagt der 61 Jahre alte Vorsitzende und lobt die Senatorengattinnen, die sich allesamt durch die weibliche Tugend der Unterstützung unentbehrlich machten. Eine Mitgliedschaft bei der „Großen von 1823“ kann jungen Menschen nicht nur Spaß beim Rallyefahren bringen, sondern auch der Karriere einen entscheidenden Stoß geben. „Man kennt sich, man hilft sich“, sagt Jarofke und weiß, dass Selbständige sich untereinander Aufträge zuschustern. Hier und da wird auch einmal ein gutes Wort eingelegt. Klüngeln würde er das nicht nennen. Es geht um „gegenseitige Unterstützung“. Alles in allem sei es aber beruflich „natürlich“ von Vorteil, der Karnevalsgesellschaft anzugehören.