Der Balkan bleibt gut geölt

Wahhabitische Gemeindezentren locken in Bosnien junge Muslime an, um sie zu radikalisieren. Unterstützung kommt aus Saudi-Arabien

„Saudi-Arabien ist unser Verbündeter“, hatte der US-Botschafter in Riad noch kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gesagt. Doch in Wirklichkeit waren die US-Behörden wachgerüttelt, auch in Bosnien. Dort wurde der CIA-Agent Walter und seine Kollegen von der Observation nationalistischer Kreise abgezogen und auf die islamistische Szene angesetzt. „Wir müssen befürchten, dass die Islamisten darauf abzielen, blonde Selbstmordattentäter heranzuziehen“, sagte Walter damals der taz.

Islamisten sind in Bosnien nicht unbekannt. Schon im bosnischen Krieg (1992 bis 1995) war das Land ein beliebtes Ziel für Mudschaheddin, die zu Hunderten als Mitglieder islamischer Hilfsorganisationen aus den arabischen Staaten und Afghanistan einsickerten, um an der Seite der Bosnier gegen Serben und Kroaten zu kämpfen. Nach dem Friedensschluss von Dayton 1995 sorgten die westlichen Geheimdienste dann dafür, dass das Gros der Religionskämpfer das Land wieder verließ, eine andere Gruppe aber übersahen sie aber dabei: Unter dem Schirm der saudi-arabischen Botschaft hatte sich eine islamistische Szene gebildet, die mit den alten Mudschaheddinkämpfern kaum etwas zu tun hat.

Finanziert von Saudi-Arabien wurden nämlich bis zum Jahr 2001 fast 100 neue Moscheen gebaut, die nicht die alten, im Krieg zerstörten ersetzen sollten, sondern als Ausbildungsstätte für die Anhänger Wahhabs, der saudi-arabischen Spielart des Islam, genutzt werden. Diese Moscheen verfügen über modern eingerichtete Gemeindehäuser, die Jugendliche in dem von hoher Arbeitslosigkeit betroffenen Land anlocken sollen. Die Islamisten machen Sozialarbeit, bieten Computerkurse an, Stipendien für arabische Universitäten gibt es auch.

Kurz nach dem 11. September nahmen sich die Soldaten der internationalen Friedenstruppen SFOR dann die Gemeindezentren vor. Bei Razzien stellten sie Material sicher, das auf Verbindungen zu terroristischen Netzwerken schließen ließ. Einige Büros wurden geschlossen. Auch die Regierung Saudi-Arabiens wurde nun von den USA unter Druck gesetzt. Im Juni 2002 dann wurden viele Leiter der wahhabitischen Gemeindezentren ausgetauscht. Doch ob damit die Aktivitäten der Islamisten wirklich eingeschränkt werden konnten, das kann niemand sagen.

Westliche Diplomaten verweisen zwar gern darauf, dass in Ländern wie Deutschland mehr terroristische Aktivitäten als in Bosnien registriert wurden. Zudem seien die westlichen Geheimdienste auf dem Balkan sehr aktiv und hätten die Lage im Griff. Tatsache aber ist, dass in den neuen Moscheen und Gemeindehäusern bis heute radikale Positionen vertreten werden. Die traditionelle islamische Gemeinschaft in Bosnien, die seit jeher einen vergleichsweise liberalen Islam vertritt, ist unter Druck geraten. Die Gemeinden sind arm. In manchen ländlichen Gebieten wie um die westbosnische Stadt Bihać oder in Zentralbosnien ist der Einfluss der Islamisten gestiegen, auch in den Jugendorganisationen. Für das traditionelle islamische Establishment in Bosnien werden die Extremisten zunehmend gefährlich. Die Saudis spenden weiter Geld.