KIRGISIEN – PRÄSIDENT WIRD AUTORITÄRER, BEVÖLKERUNG MÜNDIGER
: Menetekel für die Nachbarn

Gezinkte Wahlen können, wie sich in Georgien und der Ukraine gezeigt hat, für die Fälscher gefährlich werden. Wie ein Flächenbrand haben sich nun entsprechende Bewegungen auch in Kirgisien verbreitet. Die zweite Wahlrunde hatte in der Hälfte der kirgisischen Wahlbezirke stattfinden müssen, wo sich im Februar die Sieger noch nicht mit 50 Prozent durchgesetzt hatten. Dass Georgien und die Ukraine das warnende Menetekel sind, verkündete der kirgisische Präsident Askar Akajew selbst. Proteste wie dort könnten, meinte er, ganz Zentralasien destabilisieren.

In allen zentralasiatischen Nachfolgestaaten der UdSSR herrschen Autokraten, die sich auf ihre Familien, auf regionale Clans und auf die Repressionsapparate stützen. Selbst wo es nicht zu so bizarrer Tyrannei kam wie in Turkmenistan, blieben demokratische Formen ein dünnes Mäntelchen, wurden demokratische Oppositionsbewegungen unterdrückt. Alle sind nun mit einem militanten muslimischen Aktivismus konfrontiert, der sich nicht so leicht zurückdrängen lässt. Kirgisien war ursprünglich ein Sonderfall. Präsident Akajew schuf nach Erlangung der Unabhängigkeit 1991 ein vergleichsweise liberales Regime mit relativ freien Medien. In den letzten Jahren wurden diese Freiheiten zunehmend begrenzt: Missliebige Kandidaten wurden aus der Politik entfernt, oppositionelle Medien durch gesteuerte Gerichtsverfahren bedrängt. Proteste dagegen gab es seit spätestens 2003 aber auch. Seit jener Zeit wurde der Ruf nach einem Rücktritt Akajews lauter. Entsprechend schärfer wurden schrittweise die Repressionen.

Natürlich sind die Proteste berechtigt. Dass sie zu einer gewissen Hoffnung Anlass geben können, zeigt aber paradoxerweise, wie liberal das Regime Akajews noch war. In Usbekistan oder in Tadschikistan etwa wären sie angesichts der Härte der zu erwartenden Repressionen undenkbar. In Kirgisien konnten sich Formen der politischen Selbstorganisation entwickeln, die sich nun gegen den immer autokratischer regierenden Präsidenten wenden. ERHARD STÖLTING

Der Autor lehrt Soziologie an der Universität Potsdam