Über Wasser bleiben

Wenn die Jugend nichts anderes ist als banal, traurig und langweilig: Die junge amerikanische Autorin Julie Orringer erzählt in „Unter Wasser atmen“ Geschichten über Mädchen, die Schwierigkeiten mit dem Erwachsenwerden haben

Ob es nun Geschichten über Ängste, Krankheiten oder den Tod sind, an der Fähigkeit, kleine und große Grausamkeiten beiläufig ins ansonsten normale Leben ihrer US-amerikanischen Figuren einzuflechten, mangelt es Julie Orringer nicht. Ihre Heldinnen haben oft Bekannte, die ertrunken sind, oder Freundinnen, die zu rassistisch motiviertem Sadismus neigen. Oder sie haben Mütter, die sehr krank sind oder es bis vor kurzem waren.

Meistens sind Orringers Protagonistinnen Mädchen, die Schwierigkeiten mit dem Erwachsenwerden haben, sprich: mit der Schule, den Eltern, dem großen Bruder; mit Freundschaft, Liebe, Sex, Trennung, Alleinsein etc. Die Probleme können aber auch daher kommen, dass sie als Jüdinnen mal zur Anpassung an ihre christliche Umgebung, mal zur Auseinandersetzung mit jüdisch-orthodoxen Traditionen gezwungen werden.

Gelegentlich verstehen die Heranwachsenden ihre Nöte selbst nicht. „Hundertmal in der Schule gehört und auf Transparenten an den Wänden gelesen“ hat Helena das Motto: „Bleib dir treu! Feiere dich selbst!“ „Doch was war“, fragt sie sich, „wenn jemand starb, wenn er sich selbst Stück für Stück verlor? Sollte er sich auch dann treu bleiben?“ Kurz zuvor wurde sie erstmals von einem Jungen begrapscht, angesichts des Todeskampfs ihrer krebskranken Mutter aber will sie nicht darüber sprechen.

Jenes Motto ist zentral für die besseren von Orringers Geschichten. Das genaue Gegenteil davon müssen nämlich all die Ellas und Helenas erreichen, um endlich Trauer, Mitleid oder Schmerz zu überwinden: „Verändere dich! Stell dich selbst in Frage!“ Das ist schwer, und die damit verbundenen Schwierigkeiten weiß Orringer anschaulich zu schildern. Nur wird aus zwei, drei interessanten Geschichten noch kein guter Story-Band. Und leider erscheint die Zeit der Jugend bei Orringer als eine Abfolge von Banalitäten, Tristesse und Langeweile, die nur von beinahe unlösbaren Problemen unterbrochen wird. „Denk an das Wort nonchalant“, heißt es in „Ratschläge an ein Sechstklässler-Ich“. Nonchalant aber ist Orringer nicht. Selbst ihre Partys und Drogen machen keinen Spaß.

Wären alle Heranwachsenden so wie die Figuren in „Unter Wasser atmen“, dann könnte man sich wirklich glücklich schätzen, nicht mehr jung, bedrückt und kreuzbrav zu sein. MAIK SÖHLER

Julie Orringer: „Unter Wasser atmen“. Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005, 288 Seiten, 8,90 €