Boliviens Präsident will Wahlen vorziehen

Nach wochenlangen Protesten fürchtet Carlos Mesa um Boliviens Regierbarkeit – die Opposition ist gegen Neuwahlen

BUENOS AIRES taz ■ Um zwei Jahre vorziehen will der bolivianische Präsident Carlos Mesa die Wahlen zum Staatsoberhaupt, Senat und Parlament. In einer Fernsehansprache am Dienstagabend sagte Mesa, er wolle dem Parlament vorschlagen, die Bolivianer bereits am kommenden 28. August eine neue Regierung wählen zu lassen. „Das ist der einzige Weg, ein Blutbad zu verhindern“, sagte Mesa in die Fernsehkameras. Der Präsident, der sich im August nicht erneut zur Wahl stellen kann, gab an, „frustriert“ zu sein. Wenn er nicht zu Neuwahlen aufrufe, wäre das Land in „wenigen Tagen unregierbar“.

Schon seit mehreren Wochen ist Bolivien durch Streiks, Straßenblockaden und Demonstrationen lahm gelegt. Die Stadt Cochabamba wird von Campesinos besetzt gehalten, das wirtschaftliche Zentrum Santa Cruz wird seit schon sieben Tagen von einem Streik des Transportsektors lahm gelegt und die wichtige Straße zwischen Santa Cruz und Cochabamba ist seit einer Woche blockiert. Indigena-Organisationen, Gewerkschaften und Kokabauern wollen die Verabschiedung eines Gesetzes über die Neuregelung der Erdgas- und Ölförderung verhindern.

Der von Präsident Mesa ins Parlament eingebrachte Gesetzesentwurf sieht vor, die von transnationalen Energiekonzernen zu entrichtenden Abgaben (Royalties) auf 18 Prozent festzulegen und ihnen zusätzlich 32 Prozent Steuer von ihren Gewinnen abzunehmen. Der Chef der „Bewegung für den Sozialismus (MAS)“, Evo Morales, will 50 Prozent Royalties durchsetzen – und das ist vor allem eine politische Herausforderung. Bei den letzten Wahlen verfehlte Morales nur knapp sein Ziel, Präsident des Landes zu werden. Und auch jetzt stünden seine Chancen nicht schlecht, vorausgesetzt, er verscherzt es sich mit seinen Blockaden nicht mit der bolivianischen Mittelklasse.

INGO MALCHER