Mehr Weiber!

Das Museum Caricatura in Kassel gratuliert Franziska Becker zum 60. Geburtstag

Ein Mann steht vor dem Badezimmerspiegel und blickt unglücklich auf seine Bürste. Diese hat fast dieselbe Frisur wie der Mann: schütteres, wirres Haar. Wie es mit dieser Geschichte weitergehen wird, ist klar. Irgendwann gewinnt die Bürste. Sie wird alle Haare haben, der Mann keine. Um das Unglück komplett zu machen, deutet die Karikatur von Franziska Becker noch einen zweiten Konflikt an, der gerade heraufdräut: Aus dem Unterhemd des Mannes kriechen die ersten Rückenhaare hervor. Die Welt ist komisch schlecht.

Cartoons und Comics, so liest man landläufig, seien eine Männerdomäne. Männer sind ihre Macher und ihre Sujets. Das liegt ein bisschen am Lauf der Geschichte selbst, meist karikiert man nun mal die Mächtigen, und meist sind die Mächtigen nun mal Männer – ob Politiker, Glaubensführer oder Firmenchefs. Auf jeden Fall im Moment noch. Wenn eine Frau es also in einen Cartoon schafft, dann hat sie es in gewisser Weise auch geschafft.

Damit sich das Ungleichgewicht ändert, gibt es Franziska Becker, der in Kassel jetzt gleich eine ganze Ausstellung gewidmet wird. Die Cartoonistin erforscht in ihrer Arbeit in wundervollen kleinen Details hauptsächlich das Thema Frauen, auch wenn sie sie selbst lieber als Weiber bezeichnet. Natürlich gehört zu dem Themenkomplex auch der Mann, allein und zu zweit, je nachdem. Insofern muss man den unten abgebildeten Cartoon vielleicht auch nicht nur als eine Kritik an den knubbeligen Männer lesen. Genauso richtet sich die Pointe gegen die Frauen, die die Herren ja erst groß machen.

Das Schönste an Franziska Becker, die am Freitag 60 Jahre alt wird, ist aber die Selbstironie. Und vielleicht liegt gerade darin ihre Stärke. Ihre Frauenfiguren mit den wallenden roten Haaren sind so etwas wie eine pointenreiche Beschäftigung mit den Hürden des eigenen Weiberlebens. JUDITH LUIG