„Ich mache mich zum Horst“

Flacher Po statt 99 Zeilen Hass: Kolumnist Juan Moreno über schreibwürdige Themen

taz: Herr Moreno, warum kaufen die Leute ihre wöchentliche Zeitungskolumne als Buch?

Juan Moreno: Manchen bin ich wohl über die Jahre ans Herz gewachsen. Die wollen nicht die Zeitungsschnipsel ausschneiden, sondern wollen mich ins Bücherregal stellen.

Werden Sie nun anders wahrgenommen?

Ja. Ich werde plötzlich „Schriftsteller“ und „Romancier“ genannt. Auch kennt das Publikum bei den Lesungen meine Texte und lacht schon, bevor ich den Witz vorgelesen habe.

Sind Sie das Ich Ihrer Texte, oder ist das eine Rolle?

Es ist ein Teil von mir, eine Haltung, die ich habe. Andererseits ist die Rolle aber auch angelegt. Auf 110 Zeilen feure ich drei Gags ab – ich bin nicht so komisch sonst. Außerdem versuche ich ganz bewusst, mich in fremde Rollen hineinzudenken.

Sie geben sehr Persönliches preis. Ein mal schreiben Sie über Ihren zu flachen Po …

Wenn du das nicht machst, hast du verloren. In der Kolumne besitze ich ja die Arroganz, das Ich zu benutzen. Da muss man dem Leser auch etwas von sich preisgeben. Man muss die Bereitschaft haben, sich zum Horst zu machen.

Sind Ihre Texte versteckte Kommentare?

Ich schreibe meine Meinung, versuche dabei aber zu erklären, wie ich dahin komme. Ich schreibe auch über meine Unsicherheit, benutze den Konjunktiv viel und schreibe „vielleicht“. „99 Zeilen Hass“ ist nicht mehr zeitgemäß.

Wie finden Sie jede Woche ein Thema für die Kolumne?

Ich habe in meinem Alltag eine Art inneren Voice-Recorder mitlaufen und versuche, alles aufzuzeichnen, was um mich herum passiert.

Dabei gebrauchen Sie auch deftige Alltagswörter. Gibt das nicht Ärger mit München?

Da gibt es Grenzen. Aber man sagt eben „Du Arsch!“ und nicht „Du Dummi“. Ärger gab es deswegen noch nicht.

Überlegen Sie sich vor dem Schreiben eine Struktur?

Nein. Meine Texte haben eigentlich meist eine Kindergartenstruktur: Ich fange mit einem Thema an, komme auf ein anderes und höre mit dem ersten wieder auf.

Sie haben mal gesagt, Sie wollen die Kolumne nicht ewig fortführen. Warum?

Irgendwann weiß man nichts mehr. Man hat sich leer geschrieben. Die Gefahr ist auch, dass es dem Leser irgendwann egal wird, was man schreibt.

INTERVIEW: SASCHA TEGTMEIER