Der Günter Netzer der taz

WECHSEL Peter Unfried steigt aus der Chefredaktion aus und wird Chefreporter

BERLIN taz | Die taz kann sich keine Motivation kaufen, sondern lebt von Überzeugungstäterinnen und -tätern. Unter anderem damit begründete Peter Unfried den taz-Mitarbeitenden im November 1998 seine Kandidatur für den Vorstand der taz-Genossenschaft. Gleich 94,23 Prozent der Stimmen der anwesenden taz-mitarbeitenden GenossInnen konnte er auf sich vereinen.

Schon wenig später, im August 1999, wechselte er in ein noch schöneres taz-Amt und wurde mit Thomas Eyerich zusammen stellvertretender Chefredakteur. In der Chefredaktion koordinierte er unter anderem populäre und kulturelle Themen und kümmerte sich um die Weiterentwicklung der taz-Ironie und ihrer journalistischen Formen. Das Leitbild der taz, das Vorstand und Chefredaktion in diesen Jahren gemeinsam entwickelten, hieß dann auch: Die taz ist links, respektlos, intelligent unterhaltsam und konzernunabhängig.

Nach mehreren Jahren als freier Autor der Leibesübungenseiten wurde Peter Unfried im Oktober 1994 dort Redakteur und mich beeindruckte er gleich mit einem furiosen Günter-Netzer-Interview zu dessen 50. Geburtstag: „Sie haben, zum Beispiel bei Freistößen, Netzer-Rituale geschaffen und immer wieder neu inszeniert, die das Publikum tief berührten. Angst, Euphorie, Hoffnung, Zukunftsoptimismus: Lag der Ball erst einmal richtig, schien plötzlich alles möglich.“

Und Netzer antwortet: „Völlig richtig. Aber anscheinend hat das sehr viel Unruhe gestiftet. Da war nicht allein der Erfolg, daß nämlich der Ball in vielen Fällen ins Tor geflogen ist. Sondern: Die Betrachtung dieser Ereignisse hat Leute aufmerksam gemacht, die bisher darin überhaupt nichts gesehen hatten und danach das Erlebte nicht mehr allein auf eine Sequenz eines Fußballspiels reduzierten. Aber letzten Endes kam es darauf an, daß der Ball ins Tor ging.“ Das waren noch Fußballer-Interviews.

In der Tat gibt es in der taz Unfried-Rituale, die denen Günter Netzers nicht unähnlich sind. In seinen nun zehn Jahren in der Chefredaktion war er ein konsequenter Modernisierer der taz. Wenn das Spannungsverhältnis zwischen Mannschaftsspiel und individueller Kreativität eine Abstimmung hervorbringt, bei der jeder das tut, was er am besten kann, dann entwickelt Peter Unfried so geniale Spielzüge wie einst Günter Netzer auf dem Spielfeld.

Und die taz gewinnt. KARL-HEINZ RUCH