Münchner Kindl geht die Luft aus

Als erste deutsche Großstadt erreicht München die Grenze von 35 Tagen mit zu hoher Belastung mit Feinstaub. Weitere Städte werden folgen. Bezirk stoppt geplante Straßensperrungen. Umweltschützer verlangen Fahrverbote

MÜNCHEN taz ■ München hat als erste Stadt in Deutschland die von der EU festgelegte Höchstgrenze für Feinstaubbelastung erreicht. Am Gründonnerstag wurde am Mittleren Ring zum 35. Mal in diesem Jahr ein Wert gemessen, der die zulässige Belastung von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft deutlich übersteigt. Dieses Limit darf laut EU aber nur an maximal 35 Tagen pro Jahr überschritten werden.

Die Feinstäube, die sich unter anderem aus Dieselrußpartikeln und Reifenabrieb zusammensetzen, können Studien zufolge Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Versagen und Lungenkrebs auslösen. Laut einer EU-Studie sterben in Deutschland mehr als 65.000 Menschen jährlich an den Folgen dieser Luftbelastung. Es existieren aber bislang keine Vorgaben, was geschehen soll, wenn eine Stadt gegen die seit Jahresbeginn geltende EU-Richtlinie verstößt – was in München in den kommenden Tagen geschehen dürfte.

Die Deutsche Umwelthilfe und der Bund Naturschutz forderten gestern die Stadt München und die bayerische Landesregierung auf, bereits ab dem Osterwochenende durch Fahrverbote für Lkws die Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen. Sollten entsprechende Maßnahmen unterbleiben, wollen die Verbände zusammen mit betroffenen Anwohnern eine Musterklage einreichen. Pläne der Stadt München, die unter anderem die zeitweise Sperrung ganzer Straßen vorsehen, werden bislang von Land und Bezirken blockiert.

Auch in anderen deutschen Städten werden Maßnahmen diskutiert. Unter anderem Berlin, Köln, Frankfurt und Darmstadt werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls bald die EU-Höchstgrenze überschreiten. In Berlin haben Anwohner belasteter Straßen bereits Klagen eingereicht, um generelle Fahrverbote für Lkws und Diesel-Pkws ohne ausreichende Filteranlagen für Ruß und Staub durchzusetzen.

Ohne Einschränkungen wird sich das Problem kaum lösen lassen: So hat sich der Deutsche Städtetag dafür ausgesprochen, Lastwagen ohne Dieselrußfilter aus Wohngebieten verbannen. An stark belasteten Hauptverkehrsstraßen sollten die Kommunen Routen festlegen, auf denen die Laster Wohngegenden umfahren müssen. Politiker aller Parteien fordern zudem den verstärkten Einsatz von Rußpartikelfiltern.

Andere europäische Städte gehen rigoros gegen die Feinstaubbelastung vor. In Italien gab es im Februar mehrfach mehrstündige Fahrverbote in Rom, Bologna und weiteren Städten. Zuvor waren etwa in der römischen Innenstadt 75 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft gemessen worden. Weitaus weniger als in München, wo häufig Werte vom bis zu 120 Mikrogramm erreicht werden.

JÖRG SCHALLENBERG

wirtschaft und umwelt SEITE 11