Machtwechsel in Monaco

Dem todkranken Rainier Grimaldi wird ein ungeküsster Frosch auf den Thron folgen. Aber zeugt oder adoptiert Prinz Albert keine Nachfolger, dann scheint die Zukunft des bizarren Fürstentums ungewiss

VON DETLEF GÜRTLER

Lebten wir noch in der Renaissance, das Leben von Albert Grimaldi, Erbprinz und bald Fürst von Monaco, wäre keinen Pfifferling wert. Denn wenn der Fürst von Monaco ohne Nachkommen stirbt, fällt Monaco zurück an Frankreich, so ist es vertraglich zwischen den beiden Staaten vereinbart. Sein todkranker Vater Rainier hatte für Nachkommen gesorgt – aber Albert eben bisher noch nicht. Er kann das nachholen, indem er den einen oder anderen seiner Neffen adoptiert. Doch solange er das nicht getan hat, existiert sein Staat keine Sekunde länger als er selbst. Eine einmalige Chance für Frankreich; aber die Grande Nation würde doch im 21. Jahrhundert keinen Monarchen aus dem Weg räumen, nur um das eigene Herrschaftsgebiet um 196 Hektar zu vergrößern …

Die Grimaldis ihrerseits waren noch nie zimperlich, wenn es um ihre Macht ging. Schon der erste Monegasse dieser uralten Genueser Raubritterfamilie nicht: François Grimaldi, der 1297 den Felsen an der Côte d’Azur eroberte, indem er sich, als Franziskaner-Mönch verkleidet, in die Festung Monaco einschlich und alle Bewohner umbrachte; seine Nachfolger lehnten sich mal an Spanien, mal an Sardinien und mal an Frankreich an, um die Unabhängigkeit des Fischer- und Schmugglernests am Fuße der idyllischen Seealpen zu sichern.

Rainiers Vater, Pierre de Polignac, wurde schließlich zum Grimaldi „erhoben“, weil dem Fürstenhaus der Nachwuchs ausging. Von ihm erbte Rainier den Titel des Herzogs von Valentinois, den um 1500 herum auch schon der Renaissance-Gewaltmensch Cesare Borgia trug.

Louis Henri Maxence Bertrand Rainier Grimaldi, geboren am 31. Mai 1923, brauchte hingegen weder Schwert noch Armeen, um Macht und Reichtum von Familie und Fürstentum zu mehren – ihm reichte die richtige Frau. Denn die Heirat mit dem Hollywoodstar Grace Kelly brachte 1956 Rainiers Fürstentum die dauerhafte Popularität ein, die er für seine ökonomischen Expansionspläne brauchte. Kein Klatschblatt, kein Kaffeekränzchen ohne Nachrichten von der Fürstenfamilie, und das seit 49 Jahren.

Der Fürst kümmerte sich ebenso ausgiebig darum, den „News Flow“ in einen „Cash Flow“ zu verwandeln. Unter seinen Vorgängern war Monaco nicht wesentlich mehr als die staatliche Hülle für das mondäne Spielkasino, und die allmächtige Kasino-Gesellschaft „Societé des Bains de Mer“ war noch dazu mehrheitlich im Besitz einer Privatperson: Aristoteles Onassis. Der Märchenprinz mobbte den Tankerkönig aus der Firma heraus und herrschte damit nicht nur über den Staat, sondern auch über den Staat im Staat.

Der oberste Grimaldi positionierte Monaco zielstrebig als Treffpunkt der Reichen und Erfolgreichen aus aller Welt. Der wichtigste Trumpf dabei: null Prozent Einkommen- und Erbschaftsteuer für alle Einwohner. Und weil, anders als in anderen Steueroasen, für den Einwohnerstatus kein Briefkasten reicht, sondern es schon eine richtige Wohnung sein muss, wurde jeder grundbesitzende Monegasse zum Multimillionär und jeder verfügbare Quadratmeter Monacos zubetoniert. Und als keine Quadratmeter mehr da waren, zauberte der Fürst sich neue, indem er dem Meer einen neuen Stadtteil abtrotzte und so das Staatsgebiet um ein Viertel vergrößerte.

Damit sich all die Waffenhändler, Tennisprofis und Immobilienmakler an der Côte d’Azur nicht langweilen, ersannen die Grimaldis hochkarätige Society-Events wie den Formel-1-Grand-Prix, den Rotkreuzball, das Zirkusfestival sowie Film- und Immobilienmessen. Und damit sie sich nicht fürchten, machte Rainier Monaco zum ersten Staat mit flächendeckender Videoüberwachung: Einige Dutzend im Stadtgebiet verteilte Kameras sorgen dafür, dass der Polizei kein heimlich ausgespucktes Kaugummi entgeht.

Soviel der Fürst für die Bankkonten seiner Monegassen geleistet hat, so wenig ist ihm bei seinen Kindern geglückt, an deren Schicksal die globale Regenbogenpresse von Geburt an pausenlos Anteil nimmt. Der einzige Sohn, Albert, macht keine Anstalten, den Fortbestand der Dynastie zu sichern – über die Gründe, hierfür zu schreiben, das verbietet der Respekt vor dem Grimaldi-Medienanwalt Matthias Prinz.

Die Töchter Caroline und Stephanie hingegen sind durchaus fruchtbar, aber in der Wahl ihrer Männer ohne Fortune – Caroline hat ein Herz für ungehobelte Draufgänger, Stephanie eins für Aussteiger. Natürlich wissen wir alle, dass das an ihrem traumatischen Erlebnis liegt, 1982 beim tödlichen Unfall ihrer Mutter Grace mit im Wagen gesessen zu haben – aber musste sie ihrem Vater deswegen gleich Leibwächter und Zirkusartisten als Schwiegersöhne zumuten?

Der Märchenprinz wird sterben – und ein kalter, ungeküsster Frosch den Thron besteigen.