Ein ostdeutsches Wald- und Wiesengeschäft

Ein Drittel des enteigneten Landes kam in Staatsbesitz, das wird nun weiter verkauft – zur Freude des Finanzministers. Der Aufschwung Ost lässt sich damit aber nicht finanzieren

STRASSBURG taz ■ Der Staat betätige sich als „Hehler“, so die verbitterte Klage der Alteigentümer: Was die Sowjets geraubt haben, verscherbele jetzt die Bundesrepublik zum Nutzen des Bundeshaushalts. Denn 1990 gab es tatsächlich Hoffnungen, mit dem Verkauf des DDR-Staatseigentums lasse sich der Aufbau Ost finanzieren. Doch die Einnahmen betragen nur einen Bruchteil der Summe, die jährlich nach Ostdeutschland transferiert wird.

Für die Privatisierung der einst enteigneten Agrar- und Forstflächen ist die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) in Berlin zuständig. Sie hat 2004 einen Rekorderlös von 281 Millionen Euro erzielt, insgesamt konnte sie für den Bund seit der Wende 2,5 Milliarden Euro einnehmen. Als die Privatisierung 1994 begann, waren 1,2 Millionen Hektar (ha) landwirtschaftliche Flächen und mehr als 600.000 ha Wald im BVVG-Besitz. Dabei handelt es sich nur um das Land, das nach der Enteignung in DDR-Staatsbesitz geblieben war. Mit den Flächen, die einst an Neubauern verteilt wurden, hat die BVVG nichts zu tun.

Inzwischen sind ein Viertel der BVVG-Felder und mehr als drei Viertel der Forsten verkauft. Beim Wald machen die Privatisierer mehr Druck, weil dieser den Staat unter dem Strich mehr kostet, als er einbringt. Dagegen sind die Felder großteils langfristig verpachtet, was stetige Einnahmen sichert.

Diese Pächter waren vor dem Straßburger Urteil nicht sehr nervös. Sie hätten sich zwar Rechtssicherheit schaffen können, indem sie noch rechtzeitig bis zu 50 Prozent ihrer bewirtschafteten Flächen kauften. Doch kaum jemand machte davon Gebrauch. Die Bauern investierten lieber in Maschinen und warten auf das Auslaufen der Pachtverträge. Doch auch dann haben sie gute Karten, denn sie können Flächen vorrangig und mit 35 Prozent Preisabschlag erwerben. Zu den Pächtern zählen LPG-Nachfolgebetriebe, selbstständig wirtschaftende ehemalige LPG-Bauern (so genannte Wiedereinrichter) und eine ganze Anzahl von Alteigentümern.

Selbst wenn Straßburg entschieden hätte, dass Alteigentümer BVVG-Land kostenlos zurückerhalten, wäre es nach Einschätzung von BVVG-Insidern nicht zu Engpässen bei der Landversorgung in Ostdeutschland gekommen. Nun bleibt es bei dem Gesetz von 1994, dass die Alteigentümer nur eine gestaffelte Entschädigung erhalten. Dabei werden nur Flächenverluste bis zu 10.000 Euro voll entschädigt, bei höheren Ansprüchen werden große Abstriche vom Verkehrswert von 1990 gemacht. Aktiengesellschaften und andere juristische Personen gehen völlig leer aus. Zusätzlich können Alteigentümer allerdings – wie die Pächter – bevorrechtigt und preisvergünstigt Flächen aus der BVVG-Privatisierung erwerben. CHRISTIAN RATH