Ein endgültiger Abschied

Die Klagen sind nicht zulässig, befanden die Straßburger Richter. Denn schon mit dem Einigungsvertrag sei jede Rückgabe ausgeschlossen worden

AUS STRASSBURGCHRISTIAN RATH

Das Spiel ist aus. Der Streit um die enteigneten ostdeutschen Ländereien ist beendet. Auch wenn es die Alteigentümer noch nicht wahrhaben wollen: Es steht ihnen kein weiterer Rechtsweg mehr zur Verfügung. Der angekündigte Gang zur UN-Menschenrechts-Kommission hat keine Aussicht auf Erfolg. Die gestrige Niederlage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg war brutaler, als es selbst Pessimisten erwartet hatten. Die Klage wurde nicht mal als zulässig eingestuft. Deshalb nahmen die 17 Richter zu vielen Argumenten der Kläger – 70 Personen, ein Unternehmen und eine Stiftung – gar nicht erst Stellung.

Diese forderten vor allem eine höhere Entschädigung für die Ländereien, die zwischen 1945 und 1949 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) enteignet wurden. Die Rückgabe der Flächen war auf Druck der DDR-Regierung von Lothar de Maizière (CDU) und wohl auch der UdSSR im Einigungsvertrag ausgeschlossen worden. Stattdessen wurden 1994 in einem Gesetz nur Entschädigungen weit unter dem Verkehrswert zugesagt. Die Kläger forderten jedoch den jetzigen Wert der Grundstücke – und die Rückgabe derjenigen Flächen, die sich heute in Staatseigentum befinden (siehe unten).

Mit ähnlichen Forderungen waren die Alteigentümer bereits viermal beim Bundesverfassungsgericht gescheitert. Zuletzt hatte Karlsruhe im Dezember 2004 erklärt, es gebe keinen Grund, warum gerade die Enteignung von Immobilien in vollem Umfang rückgängig gemacht werden solle – angesichts der sonstigen menschlichen Opfer und Folgen von „Zweitem Weltkrieg, Besatzungsherrschaft und Nachkriegsdiktatur“, die die Deutschen als „Schicksalgemeinschaft“ tragen müssten.

Nach dieser Abfuhr setzten die Alteigentümer ihre Hoffnung auf den als eigentumsfreundlich geltenden Straßburger Gerichtshof. Vergeblich. „Der Gerichtshof besitzt keine Zuständigkeit, um die Umstände der Enteignung oder ihre bis heute fortwirkenden Folgen zu untersuchen“, erklärte gestern die Große Kammer des EGMR.

Die Kläger könnten sich gegenüber dem deutschen Staat nicht auf das „Recht auf Eigentum“ berufen, das in einem Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechts-Konvention garantiert ist. Für die SBZ-Enteignungen sei die Bundesrepublik nicht verantwortlich. Außerdem hätten die Kläger auch nach 1990 keine „begründete Erwartung“ haben können, dass ihre Güter zurückgegeben werden, da die Rückgabe bereits 1990 ausgeschlossen worden sei. In einer „Gesamtbetrachtung“ erklären die Richter: „Sobald sich ein Staat entschließt, die Folgen von undemokratischen Handlungen zu beseitigen, die von ihm nicht begangen wurden, besitzt er zur Umsetzung dieser Politik einen weiten Ermessensspielraum.“ Das Urteil dürfte vor allem Finanzminister Hans Eichel erfreuen. Höhere Entschädigungen hätten ebenso den Bundeshaushalt belastet wie eine kostenlose Rückgabe von Grundstücken, die jetzt verkauft werden können.

Der gestrige Richterspruch ist noch keine Vorentscheidung, wie Straßburg in einem anderen gegen die Bundesrepublik gerichteten Verfahren entscheiden wird. In der Berufungsinstanz des EGMR ist noch die Klage von Bodenreform-Erben anhängig, denen das Eigentum von der Kohl-Regierung 1992 entschädigungslos genommen wurde, weil sie nicht mehr als Bauern tätig sind. Hier wird das Urteil in einigen Monaten erwartet, in erster Instanz war Deutschland zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden.