Darf’s ein bisschen frischer sein?

LEBENSMITTEL Nur ein Drittel der Frischmilch ist nach einer Studie richtig gekennzeichnet. Verbraucherschützer fordern vom Verbraucherministerium klare gesetzliche Regeln

AUS BERLIN ANNA FEHMEL

Ein halbes Jahr nach der freiwilligen Selbstverpflichtung der Milchindustrie zur Kennzeichnung von Frischmilch tappen Verbraucher noch immer vorwiegend im Dunkeln: Ist da, wo Frischmilch draufsteht, auch wirklich frische Milch drin, oder handelt es sich um „länger haltbare“, sogenannte ESL-Milch? Tatsächlich ist nur ein Drittel der Milch korrekt gekennzeichnet, wie ein bundesweiter Marktcheck der Verbraucherzentralen jetzt ergab. „Die Milchwirtschaft hat ihr Versprechen nicht gehalten und führt die Verbraucher weiter an der Nase herum“, bilanzierte Gerd Billen, Vorsitzender des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, bei der Vorstellung der Untersuchung am Freitag in Berlin.

Um ESL-Milch (Extended Shelf Live) bis zu drei Wochen haltbar zu machen, wird sie entweder kurz hocherhitzt oder durch einen Mikrofilter gepresst. Dadurch verringert sich die Anzahl der Keime in der Milch. Echte Frischmilch hält sich hingegen etwa eine Woche, H-Milch, die über einen längeren Zeitraum hocherhitzt wird, bis zu drei Monate. Um den Verbrauchern die Entscheidung zwischen normaler Frischmilch und ESL-Milch zu ermöglichen, einigten sich Verbraucherministerium, Milchindustrie und Einzelhandel im Februar auf eine einheitliche Kennzeichnung: Herkömmliche Frischmilch müsse durch den Zusatz „traditionell hergestellt“, ESL-Milch durch den Hinweis „länger haltbar“ erkennbar sein. Die Milchwirtschaft sagte zu, diese Selbstverpflichtung zügig umzusetzen.

In den Läden bietet sich jedoch ein anderes Bild: Von 660 überprüften Milchpackungen aus 80 Geschäften waren nur 240 richtig gekennzeichnet. Den Rest schmückten Fantasiebezeichnungen wie „Fitmilch“ oder „maxi frisch“ oder es fehlte jegliche Kennzeichnung. Die Verbraucherschützer erklärten die Selbstverpflichtung daher für gescheitert. Es sei nun an Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), mit gesetzlichen Regelungen für eine klare Unterscheidung zu sorgen. „Wir haben nichts gegen ESL-Milch“, stellte Billen klar. Filtriert sei sie nicht schlechter als klassische Frischmilch. Bei der Herstellung durch Erhitzen würden jedoch Vitamingehalt und Geschmack leiden. Transparenz sei daher nötig, um Verbrauchern die Wahl zu ermöglichen.

Aigner sagte am Freitag zu, die Milchkennzeichnung zu überprüfen. „Ziel muss es doch sein, mehr Transparenz zu schaffen“, sagte die CSU-Ministerin.

Derweil ändern nach Kritik von Verbraucherschützern an Lebensmittelplagiaten mehrere Anbieter Rezepturen oder Verpackungsaufschriften. Unter anderem will der Discounter Lidl die Bezeichnung eines Truthahn-Brustfilets ändern: In etwa zwei Monaten kommt laut Unternehmsangaben das Produkt unter der Bezeichnung Truthahnbrust ohne den Hinweis „Filet“ in die Filialen. Filet suggeriert Verbraucherschützern zufolge ein gewachsenes Stück Fleisch. Das Lidl-Produkt enthalte aber zerkleinertes und wieder zusammengefügtes Truthahnfleisch.