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: Gestatten, Jana Brandner

In Daily-Soaps wie „Verbotene Liebe“ werden Schauspieler einfach ausgetauscht. Und alle verhalten sich so, als ob nichts gewesen wäre

Letzte Woche ist es wieder passiert. Vanessa Jung ersetzte Friederike Sipp. In Folge 2.419 der ARD-Endlosvorabendserie „Verbotene Liebe“ stand plötzlich eine schlankere, kleinere Jana Brandner in der Kneipe „no limits“ hinter dem Tresen. Ein Update. Eine zeitgemäßere Kompaktversion. Jana Brandner 2.5 wischte über die Tische, nahm Bestellungen entgegen und unterhielt sich mit ihren Freunden und Verwandten, als ob nichts gewesen wäre. Und auch die Gäste ließen sich nichts anmerken und quatschten mit der rundum überholten Jana, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, nach 585 Folgen einfach gegen ein neues Modell ausgetauscht zu werden.

Nun gehört so etwas zum Alltag von Fernsehserien. Egal unter welchen Umständen oder aus welchen Gründen die Darsteller wechseln, für die Fans ist es jedes Mal ein Schock, ein fremdes Gesicht in vertrauter, manchmal lieb gewonnener Umgebung zu sehen. Es ruft in ihnen eine Urangst hervor, die auch diejenigen kennen, die nicht von Montag bis Freitag „Verbotene Liebe“ schauen: die Angst, nichts Besonderes zu sein.

Sipp und Jung stehen mit ihren sprechenden Namen für ein System. In dieser Serie wird wie in kaum einer anderen die Arbeitgeberweisheit vorgelebt, dass im Prinzip jeder Arbeitnehmer ersetzbar sei und das, was das Klonen für die Zukunft verspricht, ist hier bereits verwirklicht. Auf der Homepage wird die eine als „Aussteigerin“, die andere als „Einsteigerin“ bezeichnet. Wer es nicht bringt, lässt sich daraus ablesen, steigt aus, wird weggesippt, vergessen. Und wer es zu etwas bringen will, steigt ein, am besten jung, dann ist die Wahrscheinlichkeit, weit zu kommen, am größten.

Vielleicht sollten wir uns an Jana Brandner daher ein Beispiel nehmen. Wenn das alte Ich nicht mehr taugt, wenn es zu dick ist oder zu schlecht gelaunt, wenn es krank ist oder Unsinn redet, dann ersetzen wir es einfach durch ein neues, ein al.taz.de/besseres Ich, das praktischerweise auch gleich ein bisschen frischen Wind ins Leben bringt. Umzieht. Sich verliebt. Reich ist. Und letztlich unsterblich. So wie die neue Jana Brandner.

Und wenn wir schon dabei sind, können wir uns auch gleich über das Daily-Soap-Diktum, dass die Darsteller einer Figur ähnlich sein müssen, hinwegsetzen und das Geschlecht wechseln, ohne einen Eingriff über uns ergehen zu lassen. Jeder könnte Jana Brandner sein. Auch ich könnte mich dann hinstellen und sagen: Ich bin Jana Brandner. Und nicht Jan Brandt. Und alle würden es glauben. Jan Brandt

Der Autor war von 1996 bis 1997 Statist bei „Verbotene Liebe“