Kurde wird neuer irakischer Präsident

Dschalal Talabani wird vom Parlament zum Staatschef gewählt. Der Posten des Premiers dürfte an einen Schiiten fallen. Weiter umstritten ist die Verteilung der Ministerposten. Auch wie die Sunniten politisch eingebunden werden sollen, ist noch unklar

VON KARIM EL-GAWHARY

Es ist vollbracht. Der Irak hat einen Präsidenten. Gestern wurde der kurdische Politiker Dschalal Talabani vom Parlament in dieses Amt gewählt. Zu seinen Stellvertretern wurden der Schiit Adel Abdul Mahdi und der Sunnit Ghasi al-Jawer bestimmt. Die drei einzigen Kandidaten erhielten 227 Stimmen, 30 Stimmzettel wurden ungültig abgegeben.

Das Paket ist ein Deal, der zuvor bei wochenlangen Verhandlungen hinter den Kulissen zwischen den Wahlsiegern, der schiitischen Liste der „Vereinten Irakischen Allianz“ und der kurdischen Liste ausgehandelt worden war. Es wird nun erwartet, dass das Präsidententeam in den nächsten Tagen die eigentlich machtvollste Position im Irak besetzen wird – die des Ministerpräsidenten. Dieser Posten soll den Schiiten und damit ihrem Kandidaten Ibrahim al-Dschaafari zufallen. Anders als zu Saddam Husseins Zeiten hat das neue Präsidentenamt im Irak nur zeremoniellen und symbolischen Charakter.

Saddam Hussein selbst verfolgte zusammen mit elf anderen gefangenen früheren Regierungsspitzen die Parlamentssitzung von seinem Haftort aus am Fernseher. „Sie sollen verstehen, dass ihre Zeit abgelaufen ist und dass es einen neuen Irak gibt, den sie nicht mehr länger regieren“, erklärte Menschenrechtsminister Bakhtiar Amin dazu.

Eigentlich hätte die Präsidentenwahl bereits vor Wochen stattfinden sollen. Die Bildung einer schiitisch-kurdischen Koalition hatte sich jedoch hingezogen. Die Kurden forderten Zugeständnisse bei der Verteilung der Öleinnahmen und über die genaue Grenze der kurdischen Gebiete in einem föderativen Irak. Zudem wurde die Rolle der Religion im Staat debattiert.

Während die Ämter des Präsidenten und des Premiers für Talabani und al-Dschaafari eine ausgemachte Sache war, streitet man sich noch um die Besetzung strategischer Ministerien und ganz besonders des Ölministeriums. Unklar ist auch, welche Ressorts den Sunniten zufallen sollen, die die Wahlen boykottiert hatten oder ihnen aus Angst ferngeblieben waren. Trotzdem sollen die Sunniten integriert werden – in der Hoffnung, die Guerilla zu schwächen, die sich weitgehend aus Sunniten rekrutiert. Das Problem dabei ist, Sunniten zu finden, die auf die Guerilla Einfluss haben.

Der neue Präsident Dschalal Talabani, den die Kurden meist als „Mam“ (Onkel) bezeichnen, ist neben Massud Barzani der prominenteste Kurdenführer und Chef der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), deren Hochburg in Suleimanija im Nordosten des Iraks liegt. Er kommandiert 20.000 bewaffnete Peschmerga-Kämpfer, deren Integration in die irakische Armee bis heute nicht geregelt ist.

Jahrelang haben die Kurden unter der Rivalität zwischen Talabanis PUK und Barzanis Kurdisch-Demokratischer Partei KDP gelitten, die zeitweise auch zu innerkurdischen bewaffneten Konflikten führte. Unter US-Vermittlung unterzeichneten die beiden 1998 ein Friedensabkommen und verwalteten die von einer Flugverbotszone geschützten kurdisch-autonomen Gebiete bereits zu Saddams Zeiten mit einem regionalen Parlament gemeinsam. Nach dem US-Einmarsch waren beide auch gemeinsam an der Übergangsregierung beteiligt.

Wichtig für die Zukunft der ganzen Region wird es jetzt auch sein, wie ein Kurde an der Spitze Iraks von den anderen arabischen Nachbarländern, aber auch der Türkei und dem Iran aufgenommen wird. Die Hoffnung ist, dass sich die angespannten kurdisch-arabischen Beziehungen verbessern können. Zudem gibt es noch die innerkurdische Komponente. Ein irakischer Präsident aus ihren eigenen Reihen schwächt die kurdischen Abspaltungstendenzen und stärkt die irakische Einheit und damit die Idee eines kurdisch-föderalen Staates innerhalb der irakischen Grenzen.