Schlappe für Karlsruhe im Al-Qaida-Prozess

Berliner Richter haben der Bundesanwaltschaft eine neue Niederlage beschert: Ein mutmaßlicher Al-Qaida-Aktivist muss zwar wegen Betrugs ins Gefängnis – vom Terrorismusvorwurf wird der Tunesier aber freigesprochen

BERLIN taz ■ Schon wieder eine Niederlage für die Bundesanwaltschaft: Der Tunesier und mutmaßliche Al-Qaida-Terrorist Ihsan Garnaoui wurde gestern vom Berliner Kammergericht zwar zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt, weil er Steuern hinterzogen, die Ausländerbehörde belogen hat, illegal nach Deutschland eingereist ist, mit gefälschten Pässen. Für einen Schuldspruch wegen Terrorismusverdachts vermissten die Richter die passenden Beweise.

Vor einem Jahr wurde Abdelghani Mzoudi freigeprochen, das Urteil gegen Mounir El Motassadeq hob der Bundesgerichtshof wieder auf. Die beiden Hamburger sollen den Todespiloten bei der Vorbereitung der Anschläge vom 11. September 2001 geholfen haben. Im Prozess gegen Mzoudi standen die Zeichen schon auf Verurteilung, als die US-Regierung dem Hamburger Oberlandesgericht eine anonyme Aussage übermittelte, nach der Mzoudi nichts von den Plänen der Terroristen wusste.

Auch diesmal war die Bundesanwaltschaft dicht dran an einer Verurteilung wegen Terrorismus. Sie konnte das Gericht fast mit all ihren Beweisen überzeugen: Der in Afghanistan ausgebildete Ihsan Garnaoui wollte in Deutschland „zumindest einen Sprengstoffanschlag begehen“, sagte der Vorsitzende des Strafsenats, Frank-Michael Libera, in seiner Urteilsbegründung. Und er besaß auch alles, was man zum Bau von sieben Bomben braucht: Handys und Uhren, Bauanleitungen für die Schaltungen, Säuren für den Sprengstoff. „Er hatte nicht nur böse Gedanken“, so der vorsitzende Richter, „sondern wollte seine böse Gedanken auch in die Tat umsetzen.“

Aber nach deutschem Recht kann jemand vor sich hinbasteln, wie er will. Terroristen kennt das Strafgesetzbuch nur als Gruppe, daran sind die Ankläger diesmal gescheitert.Nach 51 Verhandlungstagen steht nur fest, dass Garnaoui viel über den heiligen Krieg gesprochen hat. „Vielleicht hat er Dritten eigene Anschlagspläne offenbart“, sagte Libera, „man weiß aber nicht, ob er andere dazu aufgefordert hat, ihm zu helfen.“

Die Verbindungsleute des Verfassungsschutzes, die im Prozess anonym blieben, hatten das zwar behauptet. Doch ihre Aussagen waren widersprüchlich. Auf Nachfragen hätten sie ihre Angaben stets korrigiert, erklärte der Richter. Vielleicht hätte die Bundesanwaltschaft Garnaoui überführen können, wenn die Ermittler ihn nicht schon im März 2003 festgenommen, sondern weiter überwacht hätten. Aber damals fürchteten seine Verfolger, dass Anschläge bevorstehen.

„Vor der Wahl, eine bessere Beweislage zu haben oder seine Bürger vor einer großen Gefahr zu schützen, muss der Rechtsstaat sich für die Sicherheit der Bürger entscheiden“, sagte Bundesanwältin Silke Ritzert.

Anderswo hätte Garnaoui wohl auch mit den wackligen Aussagen der anonymen Vertrauensleute als Terrorist schuldig gesprochen werden können – nach französischem oder spanischem Recht etwa, das auch bestraft, wenn jemand allein einen Anschlag plant. „Der deutsche Gesetzgeber muss entscheiden, ob das hier auch so sein soll“, sagte Ritzert. MAREKE ADEN

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