Bonner Bürgerhaushalt ohne Bürger

Die Stadt empfing am Mittwochabend ihre Bürger zur ersten Besprechung des Bürgerhaushalts. Doch nur Wenige kamen – trotz massiver Werbung und trotz des drohende Haushaltsdefizits 2006. Grüne: politischer Wille fehlt

BONN taz ■ Es ist halb neun abends, die Sitzhaltung der Zuhörer mittlerweile recht lässig. Schulamtsleiter Hubert Zelmanski steht am Rednerpult des Ratssaals im Bonner Stadthaus und erläutert die Probleme seines Fachbereichs. Die Köpfe werden hier und da nur noch von der aufgestützten Hand gehalten, der Herr vorne rechts schaut auf seine Uhr. Vereinzelte Wortfetzen wie „Schaffung von Gruppenräumen“ oder „10 Millionen Euro“ rütteln hier keinen mehr wach. Seit einer Stunde erläutern Vertreter der Bonner Stadtverwaltung den Bürgern den städtischen Haushalt.

Denn die sollen künftig mitreden können und sich an diesem Abend erstmals an der Aufstellung eines Bürgerhaushalts beteiligen (taz berichtete). 16 Interessierte sind erschienen. Deren Unmut regt sich, als Stadtbaurat Sigurd Trommer anfängt, weitere Millionenbeträge aufzulisten. „Gehen Sie nicht so ins Detail, wir werden hier zugeschüttet“, ruft ein Bürger dazwischen. Weitere schließen sich an: „Lamentieren Sie nicht über Dinge, die wir wissen. Gibt es Ansätze, der Probleme Herr zu werden?“

„Auch für uns ist das ein Lernprozess“, entschuldigt Kämmerer Ludger Sander abschließend den langatmigen Vortrag. Doch wie viel Zeit angesichts des offenkundigen Desinteresses noch bleibt, ist fraglich. Bereits im Vorfeld hatte die Verwaltung angekündigt, das Projekt „Bürgerhaushalt“ hänge auch vom Feedback aus der Bevölkerung ab.

Die geringe Publikumsresonanz begründet Sanders Mitarbeiter Carsten Buschmann mit dem „ungünstigen Termin“. Zeitgleich fanden das Requiem für den Papst im Münster und ein Fußballspiel statt. Die Verwaltung sei jedenfalls nicht schuld. „Wir haben ausreichend Öffentlichkeitsarbeit betrieben“, sagt Buschmann bestimmt. Durch Anzeigenschaltungen im Bonner Wochenblatt, Pressekonferenzen, eine Informationsbroschüre mit einer Auflage von zehntausend Stück sowie zwei elektronische Werbetafeln am Hauptbahnhof müssten seiner Überzeugung nach „alle Haushalte erreicht worden sein“. Insgesamt hat sich die Stadt das Projekt Bürgerhaushalt bislang 10.000 Euro kosten lassen.

Rückendeckung bekommt der Verwaltungsangestellte vom Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Tom Schmidt. Der diagnostiziert fehlenden politischen Willen. „Wenn die Verwaltung den vollen Rückhalt der Politik hinter sich hätte, ließe sich das ganz anders umsetzen“, ist Schmidt überzeugt. Nur die Grünen hätten den Bürgerhaushalt gewollt, der schließlich halbherzig vom Rat auf den Weg gebracht worden sei. Bislang werde das Thema Bürgerbeteiligung in Bonn nicht ernst genommen und lediglich instrumentalisiert, wenn es „politisch in den Kram passt“, kritisierte Schmidt. „So eine Kultur muss wachsen.“

Dabei werde die Haushaltssituation im Jahr 2006 „dramatisch“, so Kämmerer Ludger Sander. Angesetzt werde der Rotstift dann vor allem im Jugend- und Sozialbereich. Eine Konsolidierung sei andernfalls nicht möglich. Martin Ochmann