Eine Blöße im Jugendradio

Der Medienrat befasst sich heute mit einer Aktion des Radiosenders Kiss FM. Der hatte die „tollste Titte“ unter seinen Hörerinnen gesucht und deren Bilder ins Internet gestellt

Brüste im Radio – der Sender Kiss FM fand das eine richtig super Idee. Unter dem Titel „Titte melde dich“ suchte er im Dezember 2004 die „tollste Titte Berlins“. Im Radio, hihi, sieht es ja niemand. Doch Bilder der Kandidatinnen gab es im Internet zu sehen. Und die Wortwahl der Moderatoren war mehr als bildhaft. Auch der Medienrat Berlin-Brandenburg hörte zu, entschied, dass Kiss FM zu möglichen Rechtsverstößen angehört werden soll, und wird heute darüber beraten. Der siebenköpfige Medienrat ist ein Organ der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, er vergibt Sendelizenzen auf dem privaten Rundfunkmarkt, teilt Frequenzen zu und überwacht die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen.

Kiss-FM-Sprecher Michael Weiland mag an Aktionen wie „Titte melde dich“ nichts Anstößiges finden, die Aktion passe zum Image des Senders: „Sowohl von den Kandidatinnen, die ja absolut freiwillig mitgemacht haben, als auch von den Zuhörern kam nur positive Resonanz.“ Er glaubt, der Sender spreche mit solchen Aktionen „die Sprache der Jugend“. 65 junge Frauen meldeten sich bei „Titte melde dich“ an. Unter ihnen beispielsweise die 16-jährige Jasmin. „Ich zeige mich gern, stehe gerne im Mittelpunkt. Und dafür ist mir fast jedes Mittel recht“, erklärte der Teenager, dessen Mutter „stolz“ die Einverständniserklärung unterschrieb.

Anfang 2002 war Kiss FM vom Medienrat bereits einmal abgemahnt worden wegen der „Gefahr einer sozialethischen Desorientierung“ jugendlicher Hörer. Damals ließ der Sender abstimmen, ob ein kleines Lamm getötet werden sollte oder nicht – im Rahmen der Aktion „Wir brechen die 10 Gebote“. Drei Jahre zuvor hatte Kiss einen Jugendlichen erzählen lassen, was mit einer toten Maus passierte, als er diese in die Mikrowelle legte.

Im Kampf um die junge Zielgruppe in Berlin hat sich laut „Media-Analyse MA 2005 Radio I“ Kiss FM gegen Konkurrent Energy durchgesetzt. 43.000 Hörer schalten in der Durchschnittsstunde bei Kiss FM zu, Energy erreicht nur 36.000. Mehr Hörer bedeuten für die Sender mehr Werbeeinnahmen, deswegen ist die Quote ein entscheidender Erfolgsfaktor. Vom „kannibalisierendem Radiomarkt“ ist die Rede: Einer frisst den anderen auf.

„Die großen Schlachten auf dem Berliner Radiomarkt sind längst geschlagen“, glaubt dagegen Klaus Goldhammer, Geschäftsführer von Goldmedia, einem Berliner Medienunternehmen, das elektronische Medien berät, Wettbewerbsanalysen und Marktprognosen erstellt. „Die Zeiten in denen sich die Sender gegenseitig verklagt haben, sind zumindest vorbei.“ Kiss FM habe mit der Kampagne doch „sein Ziel erreicht“: „Die Öffentlichkeit regt sich auf, als Jugendsender wird er damit seinem Image voll gerecht. Und schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Zielgruppe erreicht und Wirbel gemacht.“

Wirbel machte einst auch Radio RTL 104.6, als es Hörer aufforderte, das eigene Badezimmer möglichst lautstark zu zertrümmern. Der lauteste Vandale gewann ein neues Bad, die anderen blieben auf den Trümmern sitzen. R. S. 2 lockte einst vier Leute in einen Mercedes. Der, der am längsten sitzen blieb, sollte gewinnen. Bei den Zielgruppen schlägt es ein, wenn über die medialen Stränge geschlagen wird. „Deshalb kommt eine rechtliche Beanstandung manchmal nicht ganz ungelegen“, glaubt Goldhammer. Bei einer Kiss-FM-Aktion wurden einmal Hörer aufgefordert, alle möglichen Dinge in die Mikrowelle zu stecken. „Aber bitte keine Hamster“, warnten die Moderatoren. JULIANE GRINGER