PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH
: Und tschüss

Bringt den Papst endlich unter die Erde. Ich bin evangelisch und kann es nicht länger tragen

Bisschen viel Tod auf einmal: „32 Sonderseiten“, steht auf der letzten Titelseite von Bunte, rot auf schwarzem Grund, und daneben ein Foto von Harald Juhnke (größer) und ein Bild von Papst Johannes Paul II. (kleiner). Ich habe sofort nachgezählt und es stimmte: 32 zu 11, allerdings für den Papst, nicht für Juhnke.

Der tote Zirkusdirektor aus Monaco blieb mit vier Seiten weit abgeschlagen. Er hatte einfach den falschen Zeitpunkt erwischt. Eigentlich wäre dieser Fürst Rainer oder wie er hieß, im Normalsterbefall mindestens 7 bis 8 Seiten wert gewesen.

Ich schalte den Fernseher ein und sehe nur noch Menschenschlangen vor Särgen. Unendliche Massen von Leibern, die sich durch römische Straßen zum Petersplatz drängen. Weinende Polen. Ich will nicht mehr ich kann nicht mehr ich halt es nicht mehr aus!

Diese Inszenierung einer Leiche, das kriegen nur die Katholiken hin und wir Evangelischen müssen dann auch noch öffentlich-rechtliche Gebühren dafür bezahlen. Das wird jetzt noch so weitergehen, bis die alten Herren in Rom einen Neuen gewählt haben. Dann ist hoffentlich wieder für eine Weile Sendepause aus dem Vatikan.

An die Massenmedien hat Luther damals leider nicht gedacht, sonst hätte er sich die Sache vielleicht doch noch mal anders überlegt. Wenn ein evangelischer Bischof stirbt, merkt das doch kein Schwein. Der wird begraben und fertig. Die meisten evangelischen Kirchenmitglieder wissen ja nicht einmal, wie ihr Dekan heißt. Und sie fühlen sich deshalb trotzdem dem Herrn im Himmel nah (dem ich hier an dieser Stelle wieder einmal herzlich dafür danken möchte, nicht im katholischen Rottenburg, sondern im benachbarten evangelischen Tübingen geboren worden zu sein).

Ich fass es nicht: Wenn ich richtig verstanden habe, gab es unter Katholiken tatsächlich die ernsthafte Überlegung, das Herz des toten Wojtyła herauszuschneiden und in Krakau zu beerdigen. Man darf vielleicht im Moment aus Pietätgründen noch nicht so laut darüber lachen, aber eine Papstbeerdigung hat wirklich auch lustige Seiten.

Mein persönlicher Papst war mein Großvater. Fromm und vom Aufstehen bis in die Nacht nur im Dienste des Herrn unterwegs. Nach einem kargen Frühstück widmete er sich dem Bibelstudium, dann schrieb er ein paar Briefe und am Nachmittag verfasste er christliche Meditationen auf einem Blatt DIN-A 4-Papier.

Ich weiß nicht mehr, wie viele dieser Blätter ich im Lauf der Jahre im Copy-Shop der Universität vervielfältigt habe, aber ein paar zehntausend dürften es schon gewesen sein. Die schickte er dann mit der Post an alle, die es haben wollten. Aber vor allem an solche, die es nicht haben wollten, denn Großvaters Lieblingssatz hieß: „Man muss um die Menschen so lange mit Liebe herumgraben, bis sie ins Loch hineinfallen.“ Der Satz ist besser als jeder andere Satz vom Papst.

Als Großvater im Alter von 101 Jahren starb, war es ein wenig wie jetzt in Rom. Er zeigte sich nochmals allen seinen Kindern und Enkeln von seinem Krankenbett aus und verfügte, wer zu seiner Beerdigung einen Hefekranz backen sollte für den Leichenschmaus. Dann lächelte er und verschied.

Im Grunde bin ich froh, dass er nicht mehr mitbekam, wie ich Jahre später nach katholischem Ritus geheiratet habe. Er wäre nicht begeistert gewesen. Er hielt Katholiken immer für bemitleidenswerte Menschen, die einem Kinderglauben anhängen. Die die Jungfrau Maria anbeten wie eine Göttin.

Für meine Hochzeit bat mich der katholische Pfarrer ein paar Lieder aus dem (katholischen) Gesangbuch auszusuchen. Ich fand keines, das mir gefiel. Meine Frau aber hieß Maria und so entschied ich mich schließlich für das Lied: „Maria, breit den Mantel aus“. Ich sang mit Inbrunst den Text. Doch was ich mir dabei Unanständiges dachte, das hat der katholische Pfarrer natürlich nie erfahren.

Ist es noch zu fassen? kolumne@taz.de Montag: Susanne Lang über DIE ANDEREN