SPORTPLATZ
: Schuhe wie Matschklumpen

CYCLOCROSS Bei den Deutschen Querfeldein-Meisterschaften in Kleinmachnow geht’s schmutzig zu

Kurz vor dem Start fängt es in Kleinmachnow an zu regnen. Aus dem schwergängigen Boden wird ein unberechenbarer Acker. „Crosswetter halt“, bemerkt ein gut gelaunter Hobbyfotograf. „Cross“, das ist „Cyclocross“, auch bekannt als Querfeldeinrennen. Beim Cyclocross schuften sich nicht gerade beneidenswerte AthletInnen auf Rennrädern über Strecken, die man besser mit einem Mountainbike absolvieren sollte. Oder mit dem Trecker.

Cyclocrossfahrer rasen über steile Hügel, durch matschige Kurven und halsbrecherische Abfahrten herunter. Manchmal müssen sie ihre Räder über morastige Wege auf Anhöhen tragen. In den Niederlanden und Belgien ist Cyclocross eine der beliebtesten Wintersportarten, dort kommen schon mal zehntausend Zuschauer zusammen. In Deutschlands Cyclocross-Hauptstadt Kleinmachnow haben sich immerhin ein paar hundert eingefunden, um die deutsche Meisterschaft zu sehen.

Nur noch wenige Minuten bis zum Start des Frauenrennens. Alle Fahrerinnen lassen sich nass regnen. Alle außer Hanka Kupfernagel. Der Star des deutschen Cyclocross hat einen Begleiter, der sie mit einem Schirm vorm Regen schützt. Kupfernagel ist dreifache Weltmeisterin, Titelverteidigerin, trotz ihrer 37 Jahre der haushohe Favorit und wahrscheinlich die einzige Vollzeitsportlerin im Starterfeld. Aber die Vorzeichen sind schlecht. Sie hatte in den vergangenen Wochen mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, musste drei Rennen absagen. Außerdem hat sie nicht mit Regen gerechnet und die falschen Reifen aufgezogen. Trotzdem rechnen alle mit ihrem Sieg. „Die deutschen Meisterschaften sind keine Einbahnstraße“, hat sie vor dem Rennen fast entschuldigend gesagt. Nach dem Startschuss übernimmt sie trotzdem sofort die Führung.

Während die erste von fünf Runden gefahren wird, ertönen auch die ersten Kuhglocken, unverkennbares Zeichen jeder Wintersportart. Das Publikum ist voll bei der Sache. Ständig verändern die Zuschauer ihre Position, um die Fahrerinnen auf der hügeligen Strecke im Blick zu behalten. Mit verdreckten Gesichtern zischen sie an der beeindruckten Menge vorbei und verschwinden kurz darauf wieder im Wald. Die Ortswechsel des Publikums wirken fast wie eine einstudierte Choreografie. Nur Neulinge stehen augenscheinlich verwirrt herum und wissen nicht, wohin sie gehen sollen.

Ein älterer Herr hingegen, auf dessen Bommelmütze „Cross is cool“ steht, beherrscht das Spiel um die besten Plätze wie im Schlaf. Er kann immer gut sehen, wie Hanka Kupfernagel trotz schlechter Reifen an der Spitze bleibt. Schon nach drei Runden hat sie ihrer jugendlichen Konkurrenz die Grenzen aufgezeigt und liegt eine halbe Minute vor ihrer ersten Verfolgerin. Mit präzisen Schritten und ohne sichtbare Anstrengung trägt sie ihr Rad einen Hügel hinauf. Andere Fahrerinnen sind da schon schwer gezeichnet. Die Gesichter verschmutzt, der Blick glasig und leer, die Schuhe sehen aus wie Matschklumpen. Der Kommentator des Rennens ist begeistert: „Das ist Kleinmachnow. Querfeldein lebt!“

Nach etwas mehr als 40 Minuten hat Hanka Kupfernagel ihren Titel problemlos verteidigt. Als die zweitplatzierte Trixi Worrack ins Ziel fährt und sich anschließend erschöpft auf den Boden fallen lässt, gibt Kupfernagel schon Interviews und lächelt in die Kameras der Fotografen. Schnell noch eine Videobotschaft an den RC Kleinmachnow, die von einem bärtigen Herrn aufgezeichnet wird, dann geht es zur Siegerehrung. Es fängt wieder an zu regnen. Crosswetter halt. FELIX LAURENZ