Sicherheitsminister jagt die „Terroristen“

MADAGASKAR Nach einer Serie vereitelter Anschläge will die seit März amtierende Putschregierung ihre Vorgänger festnehmen. Die Chancen auf ein friedliches Ende der Krise auf dem Inselstaat schwinden

„3.000 bis 6.000“ weitere Bomben warten auf ihre Entdeckung, sagt Madagaskars Polizeichef

BERLIN taz | Für Madagaskars Sicherheitsminister Organès Rakotomihantarizaka war alles klar. Fünf ehemalige Mitglieder der im März vom Militär gestürzten Regierung stünden hinter der Serie von Bombenanschlägen, die am Wochenende den Inselstaat im Indischen Ozean erschütterten, sagte er am Montag in der madegassischen Hauptstadt Antananarivo und kündigte deren bevorstehende Festnahme an. Zwei Wächter wurden in den Kopf geschossen, als eine Gruppe von zwanzig schwerbewaffneten Männern in der Nacht zum Sonntag das Geschäftszentrum „Water Front“ in der Hauptstadt besetzte und dort versuchte, den Fernsehsender Viva TV des heutigen Präsidenten Andry Rajoelina in die Luft zu sprengen. Rund 20 nicht explodierte Bomben seien vor verschiedenen Militäreinrichtungen entdeckt worden, erklärte Polizeichef Richard Ravalomanana und fügte hinzu: „Der Terrorismus ist unter uns.“ Nach seinen Angaben warteten noch „3.000 bis 6.000“ weitere Sprengsätze auf Entdeckung und Entschärfung.

Mit der Kriegsrhetorik der Putschistenregierung, die Madagaskar seit März regiert, eskaliert die politische Krise in dem Land weiter. Präsident Andry Rajoelina, zuvor Bürgermeister der Hauptstadt, hatte sich am 17. März mit Hilfe der Armee nach blutigen Unruhen und monatelangen Massenprotesten gegen den 2002 als Held der damaligen Demokratiebewegung gewählten Präsidenten Marc Ravalomanana an die Staatsspitze gehievt. Ravalomanana lebt seitdem in Swaziland im Exil, und die internationale Gemeinschaft erkennt seinen Nachfolger nicht an.

Versuche zu einer politischen Lösung stehen am Nullpunkt, seit Ravalomanana am 3. Juni in Abwesenheit zu vier Jahren Haft und 70 Millionen US-Dollar Geldstrafe wegen des Kaufs eines Präsidentenflugzeugs für 60 Millionen Dollar Ende 2008 verurteilt wurde. Der teure Spaß in einem der ärmsten Länder der Welt war ein wichtiger Mobilisierungsfaktor für die Proteste gegen den einstigen Volkshelden Ravalomanana gewesen und hatte dazu geführt, dass die wichtigsten Geldgeber Madagaskars, darunter die EU, ihre Hilfen aussetzten.

Eine Wiederaufnahme der Hilfen und die Auszahlung von 600 Millionen Euro eingefrorener EU-Gelder aber machen die Geldgeber von einer Rückkehr zur Demokratie abhängig, und weil es keine Aussicht auf eine Verhandlungslösung gibt, hat der Staat kein Geld und der Unmut steigt. Versprochene Großinvestitionen von Saudi-Arabien in Höhe von zwei Milliarden Dollar lassen auf sich warten und erregen Misstrauen unter der Bevölkerung: Schon Ravalomanana hatte sich unbeliebt gemacht, als er riesige Landflächen an den Daewoo-Konzern aus Südkorea verpachten wollte.

Seit der Verurteilung Ravalomananas kommt es immer wieder zu Bombenanschlägen auf Madagaskar. Der 49. Unabhängigkeitstag am 26. Juni wurde von beiden Lagern mit konkurrierenden Feiern in der Hauptstadt begangen. Vor dem Stadion, wo Rajoelina sich feiern ließ, explodierte ein Sprengsatz in einem Mülleimer, woraufhin die Armee Teilnehmer der Gegenkundgebung verhaftete.

Inzwischen hat Rajoelina Wahlen noch vor Ende 2009 angeboten, aber seine Gegner lehnen das mangels Garantien für eine transparente Vorbereitung ab. Neue Verhandlungen der internationalen Madagaskar-Kontaktgruppe, die unter anderem die Europäische und Afrikanische Union vereint, sollten am heutigen Mittwoch in Äthiopien beginnen, aber nach den Vorfällen vom Wochenende wurden sie abgesagt. Stattdessen richtet sich das Land darauf ein, dass nun auch die verbliebene Ravalomanana-treue Opposition in den Untergrund oder ins Gefängnis wandern muss. DOMINIC JOHNSON