Ihre Opfer zählen bis heute nicht

Sie wurden vergessen und verdrängt. Ein neues Buch erinnert an die verdrängten Kriegstoten und Kriegsschäden der „Dritten Welt“ im Zweiten Weltkrieg. Spielfilme und Dokumentationen zum Thema im Bochumer Sozio-Bahnhof

Gestern vor 60 Jahren wurde Bochum vom Faschismus befreit. Zu diesem Jahrestag wird im Bochumer soziokulturellen Zentrum Bahnhof Langendreer mit Filmen und Vorträgen gegen das Vergessen der Opfer aus der „Dritten Welt“ angegangen. In den Armeen der Siegermächte dienten auch Kolonialsoldaten aus allen Teilen Afrikas vom Maghreb bis zum Kap: Inder und Pazifikinsulaner, Juden und Araber aus Palästina, Mexikaner und Brasilianer, Aborigines und Maoris, Afroamerikaner und Native Americans. Die Krieg führenden Mächte missbrauchten darüber hinaus Millionen Kolonialisierte als Zwangsarbeiter und Zwangsprostituierte. Weite Teile der „Dritten Welt“ blieben nach Kriegsende verwüstet zurück.

Nach langjährigen Recherchen und zahlreichen Interviews mit Veteranen, Zeitzeugen und Historikern in 30 Ländern erzählt das vorgestellte Buch „Unsere Opfer zählen nicht! - Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ (Herausgeber: Recherche International e.V.; Verlag: Assoziation A, Hamburg/ Berlin 2005) von den weit entfernt lebenden Opfern. „Die Journalisten und Journalistinnen, die diese Arbeit vorgelegt haben, geben den Sprach- und Stimmlosen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Ozeanien nach so vielen Jahrzehnten erstmals eine wahre, echte, sensible und menschliche Stimme“,sagt Kum‘a Ndumbe III., Professor an der Universität Jaunde in Kamerun. Damit hätten sie mit der Tradition gebrochen, in der deutsche oder europäische Autoren Bücher über andere Staaten und Geschehnisse in der Welt verfassten und veröffentlichten, ohne einheimische Akteure oder Wissenschaftler einzubeziehen.

Neben der Buchvorstellung sind in der einwöchigen Veranstaltungsreihe Spielfilme und Dokumentationen aus Afrika, Asien und Ozeanien zu sehen. Darunter der Klassiker des afrikanischen Kinos „Camp de Thiaroye“ von Ousmane Sembène, dem bekanntesten Regisseur aus dem Senegal. Er war Kriegsteilnehmer und dokumentiert ein Massaker, das die französische Armee 1944 in einer Kaserne bei Dakar an westafrikanischen Kolonialsoldaten verübte.

Der Spielfilm „Tasuma (le feu)“, der beim panafrikanischen Filmfestival FESPACO 2005 in Ouagadougou ausgezeichnet wurde, verweist auf die bürokratischen Hürden, die afrikanische Kolonialsoldaten, die damals für Frankreich in den Krieg zogen, heute überwinden müssen, um Kriegsrenten beziehen zu können. Regisseur Daniel Sanou Kollo aus Burkina Faso wird seinen Film am Mittwoch persönlich präsentieren. Die koreanische Dokumentation „Nasn Moksori 2“ (»Leise Stimmen«) erinnert an ein japanisches Kriegsverbrechen, das Jahrzehnte lang geleugnet wurde und nur Dank des Mutes einiger Überlebender in den neunziger Jahren an die Öffentlichkeit kam: die Verschleppung von etwa 200.000 asiatischen Frauen zur Zwangsprostitution in Militärbordellen der japanischen Streitkräfte. PEL

18:00 Uhr, kino endstation, Bochum„Ancien Combattant“, „Angels of War“(Mit einer Einführung zur Rolle Ozeaniens im Zweiten Weltkrieg)Infos: 0234-6871635