Verteidiger des friedlichen Widerstands

Der Exbürgermeister von Mexiko-Stadt, Andrés Manuel López, setzt zum Sprung auf das Amt des Präsidenten an

Seine Feinde nennen ihn einen Populisten, für seine Freunde ist er der „mexikanische Lula“, und er selbst sieht sich gern in den Fußstapfen Nelson Mandelas. Auch der Südafrikaner habe im Gefängnis gesessen, bevor er Präsident seines Landes wurde. So sieht Andrés Manuel López Obrador auch seine Zukunft: Dass der 51-Jährige letzte Woche sein Amt als Bürgermeister von Mexiko-Stadt abtreten musste, bekräftigt ihn nur in seinem Ansinnen, 2006 mexikanischer Staatschef zu werden.

Sollte er sich als erfolgreichster Kandidat aufhalten lassen? Weil ihm die Staatsanwaltschaft wegen des Baus eines Zufahrtsweges trotz gegenteiligen richterlichen Beschlusses Amtsmissbrauch vorwirft und mit Haft droht? Nein, meint López Obrador, zur Not werde er auch aus dem Gefängnis weiterkämpfen.

Schon in seiner Heimat, dem südöstlichen Bundesstaat Tabasco, hat er sich den Ruf des unermüdlichen Kämpfers und Verteidigers des „zivilen friedlichen Widerstands“ erworben. Als Mitglied der Partei der Institutionellen Revolution (PRI) arbeitete er im parteieigenen Institut für Indígena-Politik. Von der ersten Stunde an war er dabei, als Dissidenten 1989 der Staatspartei den Rücken kehrten und die linke Partei der Demokratischen Revolution (PRD) gründeten.

Mitte der Neunzigerjahre mobilisierte López Obrador in Tabasco die Arbeiter des staatlichen Erdölunternehmens Pemex gegen Privatisierungspläne der Regierung. Zeitgleich nahm er 1994 den Kampf ums Gouverneursamt in dem Bundesstaat auf, verlor aber gegen seinen Widersacher von der PRI. Dennoch übernahm er 1996 die PRD-Präsidentschaft, und im Dezember 2000 wurde er zum Bürgermeister von Mexiko-Stadt gewählt.

Seitdem herrscht im Rathaus der Megametropole ein rigider Führungsstil. Jeden Morgen um halb sieben lädt AMLO, wie ihn heimische Journalisten getauft haben, zur Pressekonferenz. So setzt er seine Erfolge adäquat in Szene. Etwa die Einführung einer Mindestrente für alle über 70-Jährigen oder die monatlichen Unterstützungszahlungen für allein stehende Mütter und Behinderte in den Armutszonen. Oder die Kreditprogramme für den sozialen Wohnungsbau und die 15-prozentige Gehaltssenkung für hohe Beamte.

Doch AMLO weiß auch die andere Seite einzubinden. Vom mexikanischen Multimillionär Carlos Slim ließ er sich 50 Millionen Dollar zur Restaurierung des historischen Zentrums schenken und garantierte diesem das Vorkaufsrecht für einige Gebäude in der lukrativen Gegend. Und um sich vom New Yorker Exbürgermeister Rudolph Giuliani ein „Null Toleranz“-Konzept für Mexiko-Stadt entwerfen zu lassen, schnorrte er bei heimischen Unternehmern Unterstützung.

Ob López Obrador eines Tages wieder ins Rathaus zurückkehren wird, müssen die Gerichte beschließen. Aber AMLO wäre nicht AMLO, würde er auf diese Entscheidung warten. Seit Freitag hält er seine Morgenkonferenzen in einem Park bei seinem Haus ab. WOLF-DIETER VOGEL