„Wir streiten für gerechte Handelsregeln“

Martin Khor, Third World Network, über WTO-Kampagne anlässlich der derzeit stattfindenden Woche der Gerechtigkeit

taz: Im Dezember trifft sich in Hongkong die Welthandelsorganisation (WTO). Sie nennen die so genannte Entwicklungsrunde der WTO ein Antientwicklungsprogramm. Warum?

Martin Khor: Die USA und Europa haben das Versprechen nicht erfüllt, ihre Märkte für Produkte aus den Entwicklungsländern zu öffnen. Keine Fortschritte gab es bei den geforderten Sonderbehandlungen für arme Länder innerhalb der WTO. Gleiche Regeln für ungleiche Länder – das schadet den Armen.

Wo sehen Sie im Augenblick die Knackpunkte der WTO-Verhandlungen?

Derzeit setzten USA, EU und Japan die Entwicklungsländer unter Druck, damit sie ihre Zölle auf Industriegüter senken. Das wird zu einem Anstieg von Billigimporten führen, mit denen einheimische Produzenten nicht konkurrieren können. Wenn ein Land seine Zölle im Rahmen der WTO senkt, ist das unveränderbar. Schon jetzt beobachten wir den Zusammenbruch lokaler Industrien vor allem in Afrika.

Was sind Ihre zentralen Forderungen für Hongkong?

Es muss Entwicklungsländern erlaubt sein, ihre Märkte durch hohe Zölle zu schützen, sowohl im Agrar- als auch im Industriesektor. Die WTO hat kein Recht, sie zu Zollreduktion zu zwingen. Ebenso muss die WTO mit dem Druck auf die armen Länder aufhören, ihre Dienstleistungen vom Bankensektor über Kommunikation bis zur Wasserversorgung zu liberalisieren. Alle Länder haben ein Recht, eigene Industrien und Dienstleistungen aufzubauen, und sie brauchen die Freiheit zu entscheiden, wann, wo und wie viel sie liberalisieren.

Wie kann die globale Aktionswoche und die bundesweite Kampagne „Gerechtigkeit jetzt“ Einfluss nehmen?

Wir glauben nicht mehr daran, dass die WTO gerechte Handelsregeln aufstellt. Mit der Kampagne versuchen wir, das Schlimmste zu verhindern. Die Treffen in Seattle und Cancún 1999 und 2003 haben gezeigt, dass wir Einfluss nehmen können. Wir selbst müssen mit unseren Aktionen die Welt- und die EU-Handelspolitik demokratisieren. Schimpft nicht auf die EU-Kommission, schimpft auf die deutsche Regierung. Schaltet das Parlament ein. Die Entwicklungsländer brauchen ein gutes multilaterales Handelssystem, um sich zu schützen. Das System ist so gut wie seine Regeln. Wir streiten für gerechte, entwicklungsfördernde Regeln.

INTERVIEW: CHRISTA WICHTERICH

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