Protokoll der Wannsee-Konferenz, 20. Januar 1942

Seite 4–6

Über die Nachteile, die eine solche Auswanderungsforcierung mit sich brachte, waren sich alle Stellen im klaren. Sie mußten jedoch angesichts des Fehlens anderer Lösungsmöglichkeiten vorerst in Kauf genommen werden.

Die Auswanderungsarbeiten waren in der Folgezeit nicht nur ein deutsches Problem, sondern auch ein Problem, mit dem sich die Behörden der Ziel- bzw. Einwandererländer zu befassen hatten. Die finanziellen Schwierigkeiten, wie Erhöhung der Vorzeige- und Landungsgelder seitens der verschiedenen ausländischen Regierungen, fehlende Schiffsplätze, laufend verschärfte Einwanderungsbeschränkungen oder -sperren, erschwerten die Auswanderungsbestrebungen außerordentlich.

Trotz dieser Schwierigkeiten wurden seit der Machtübernahme bis zum Stichtag 31.10.1941

insgesamt rund 537.000 Juden zur Auswanderung gebracht. Davon

vom 30.1.1933 aus dem Altreich rd. 360.000

vom 15.3.1938 aus der Ostmark rd. 147.000

vom 15.3.1939 aus dem Protektorat Böhmen und Mähren rd. 30.000.

Die Finanzierung der Auswanderung erfolgte durch die Juden bzw. jüdisch-politischen Organisationen selbst. Um den Verbleib der verproletarisierten Juden zu vermeiden, wurde nach dem Grundsatz verfahren, daß die vermögenden Juden die Abwanderung der vermögenslosen Juden zu finanzieren haben; hier wurde, je nach Vermögen gestaffelt, eine entsprechende Umlage bzw. Auswandererabgabe vorgeschrieben, die zur Bestreitung der finanziellen Obliegenheiten im Zuge der Abwanderung vermögensloser Juden verwandt wurde.

Neben dem Reichsmark-Aufkommen sind Devisen für Vorzeige- und Landungsgelder erforderlich gewesen. Um den deutschen Devisenschatz zu schonen, wurden die jüdischen Finanzinstitutionen des Auslandes durch die jüdischen Organisationen des Inlandes verhalten, für die Beitreibung entsprechender Devisenaufkommen Sorge zu tragen.

Hier wurden durch diese ausländischen Juden im Schenkungswege bis zum 30.10.1941 insgesamt rund 9.500.000 Dollar zur Verfügung gestellt.

Inzwischen hat der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Hinblick auf die Gefahren einer Auswanderung im Kriege und im Hinblick auf die Möglichkeiten des Ostens die Auswanderung von Juden verboten.

III. Anstelle der Auswanderung ist nunmehr als weitere Lösungsmöglichkeit nach entsprechen der vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten.

Diese Aktionen sind jedoch lediglich als Ausweichmöglichkeiten anzusprechen, doch werden hier bereits jene praktischen Erfahrungen gesammelt, die im Hinblick auf die kommende Endlösung der Judenfrage von wichtiger Bedeutung sind.

Im Zuge dieser Endlösung der europäischen Judenfrage kommen rund 11 Millionen Juden in Betracht, die sich wie folgt auf die einzelnen Länder verteilen:

A. Altreich 131.800

Ostmark 43.700

Ostgebiete 420.000

Generalgouvernement 2.284.000

Bialystok 400.000

Protektorat Böhmen und Mähren 74.200

Estland - judenfrei

Lettland 3.500

Litauen 34.000

Belgien 43.000

Dänemark 5.600

Frankreich / Besetztes Gebiet 165.000

Unbesetztes Gebiet 700.000

Griechenland 69.600

Niederlande 160.800

Norwegen 1.300

B. Bulgarien 48.000

England 330.000

Finnland 2.300

Irland 4.000

Italien einschl. Sardinien 58.000

Albanien 200

Kroatien 40.000

Portugal 3.000

Rumänien einschl. Bessarabien 342.000

Schweden 8.000

Schweiz 18.000

Serbien 10.000

Slowakei 88.000

Spanien 6.000

Türkei (europ. Teil) 55.500

Ungarn 742.800

UdSSR 5.000.000

Ukraine 2.994.684

Weißrußland ausschl. Bialystok 446.484

Zusammen: über 11.000.000