„Im Zuge der Endlösungsvorhaben …“

WANNSEE-KONFERENZ Wie fünfzehn Nazibürokraten die Deportation und Ermordung der europäischen Juden planten: Die taz dokumentiert und erläutert das „Besprechungsprotokoll“ vom 20. Januar 1942 ➤ Seite 2–7

Heute vor 70 Jahren trafen sich 15 überwiegend junge Männer in einer Villa am Großen Wannsee Nr. 56–58 in Berlin zu einer Besprechung. Ihr einziges Thema: die Organisation von Deportation und Ermordung der europäischen Juden. Doch die Monstrosität dieses verbrecherischen Vorhabens kleideten sie in bürokratische Formulierungen: aus Deportation wurde „Evakuierung“, aus der Vernichtung „Endlösung“. Keiner der beteiligten Herren hatte etwas gegen den geplanten Massenmord einzuwenden – genauso wenig wie die Millionen Deutschen in Ämtern und Behörden, an der Front und im Hinterland, in Vorstandsetagen und an der Werkbank, die durch ihre aktive Unterstützung oder durch Wegsehen den Holocaust erst möglich machten.

Die taz hat sich dazu entschlossen, zum 70. Jahrestag der sogenannten Wannsee-Konferenz das Protokoll dieser mörderischen Veranstaltung in voller Länge zu publizieren. Ergänzt wird der faksimilierte Text durch einordnende Anmerkungen und ein Essay des Historikers Peter Klein.

Das Protokoll ist seit Jahrzehnten bekannt. Die Veröffentlichung hat keinen Neuigkeitswert. Es geht uns nicht um vermeintliche Sensationen. Aber: Wer von Ihnen hat dieses Protokoll eigentlich jemals gelesen? Wer kennt die genauen Formulierungen in diesem Dokument? Wer weiß, was aus den Männern wurde, die sich vor 70 Jahren trafen?

Die Wannsee-Konferenz markiert den Übergang vom Entschluss der NS-Spitze zur Judenvernichtung hin zu einem bürokratischen Prozess. Es ist dieses Protokoll, das mit seinen Verabredungen zur Aufgabenverteilung deutlich macht, dass nicht allein Adolf Hitler und „die Nazis“ die Verantwortung für den Völkermord tragen. Es waren, beginnend mit den 15 Männern in der Villa am Wannsee, ganz normale, spezialisierte Technokraten. Sie stellten die Fahrpläne für die Todeszüge in den Osten auf. Sie erfanden Giftgaswagen. Sie entdeckten Zyklon B als effektives Mittel zum Massenmord.

Wir sollten uns davor hüten, leichtfertige Analogien zwischen den Machern des Holocaust und heutigen Menschenrechtsverletzungen zu ziehen. Die Vernichtung der europäischen Juden entzieht sich der Vergleichbarkeit. Aber das Protokoll der Wannsee-Konferenz macht deutlich, wie Schreibtischtäter, an deren Händen kein Blut klebt, mit ihren Plänen – und ihrer bewusst euphemistischen Sprache – schreckliche Prozesse in Gang setzen können, an deren Ende niemand verantwortlich gewesen sein will. KLAUS HILLENBRAND