SHEILA MYSOREKAR POLITIK VON UNTEN
: Die können sogar Deutsch!

Jeder

Als ich als ganz junge Journalistin bei einer Politikredaktion anfing und meine Texte abgab, geschah es oft, dass ich für meine gute Orthografie gelobt wurde. Das war mir seit der Grundschule nicht mehr passiert. Es war mir ein Rätsel, warum das in der Redaktion so positiv vermerkt wurde – bis mir aufging, dass niemand dort erwartet hatte, dass ich korrektes Deutsch schreiben könne. Denn die anderen Leute im Sender, die so aussahen wie ich, die haben dort geputzt.

Ich bin Rheinländerin. Ich bin so integriert, dass es kracht. Ich trinke Kölsch und feiere Karneval, die vollen sechs Tage; und meine Migration besteht darin, dass ich von Düsseldorf nach Köln gezogen bin. Aber so normal deutsch ich mich fühle, in manchen Kontexten bin ich es nicht. Ich bin Journalistin, und in diesem Metier falle ich auf. Jeder fünfte Mensch in diesem Land hat Migrationshintergrund, aber nur jeder 50. Journalist. Wir sind also massiv unterrepräsentiert. Weswegen, da kann ich nur spekulieren. Vielleicht, weil Journalisten die Gralshüter der deutschen Sprache sind? Direkt nach Deutschlehrerinnen und Edmund Stoiber? Und Ausländer sprechen halt kein Deutsch, das weiß ja jeder.

Deswegen gibt es die Neuen Deutschen Medienmacher: Journalisten und Journalistinnen mit Migrationshintergrund. Wir setzen uns dafür ein, dass mehr Migranten, schwarze Deutsche, Bindestrich-Bürger jeder Art in den Medien vertreten sind – vor und hinter der Kamera. Wir Neuen Deutschen Medienmacher fördern deshalb den Nachwuchs, wir organisieren ein Mentorenprogramm, reden mit Chefredakteuren und Herausgeberinnen, geben Diversity-Workshops, machen interkulturelle Fortbildungen in Redaktionen, richten Datenbanken ein und vieles mehr. Ein Ranga Yogeshwar, eine Dunja Hayali reichen nicht. Wir wollen nicht nur lächelnde Moderatoren sein, sondern Reporter, Redakteurinnen und Entscheider auf der Chefetage. Wir wollen Themen setzen und Blickwinkel verändern.

Es geht dabei auch um Diskurshoheit. Damit nicht – wie im Fall Sarrazin – Rassismus medial als Tabubruch inszeniert wird, selbst in seriösen Medien wie dem Spiegel und der Zeit. Oder damit nicht – wie im Fall der Neonazi-Mordserie – den Opfern lange Zeit auch von den Medien unterstellt wird, sie hätten durch kriminelle Machenschaften ihre Ermordung selbst verschuldet.

Wir wollen, dass die Medien die Dinge beim Namen nennen: Nicht ,Fremdenfeindlichkeit‘ schreiben oder ,Ausländerfeindlichkeit‘ – wir sind ja keine Ausländer, sondern Deutsche, und fremd sind wir schon gar nicht. Das heißt, es geht um Rassismus, nicht um Konflikte zwischen ach so fremden Kulturen. Damit die multikulturelle Normalität endlich auch in den Medien ankommt.

Die Autorin ist Vorsitzende der Neuen Deutschen Medienmacher, www.neuemedienmacher.de

Foto: F. Bagdu