KOMMENTAR VON ULRIKE WINKELMANN
: Ein Rüstungs-Dinosaurier in Ramstein

Iranische Raketen sind in der hiesigen Rüstungsdebatte bestenfalls Phantome

Jahrelang schauten deutsche Verteidigungspolitiker plötzlich etwas diffus, wenn sie auf den Raketenschild angesprochen wurden. Was das für ein Schild sei, vor welchen Raketen er Europa schützen werde – oh nein, dies sei nichts, was Deutschland bekümmern müsse. Die USA planten da irgendetwas in Polen oder Tschechien. Oder so.

Und jetzt das: Das Raketenabwehrsystem kommt, und es soll aus dem rheinland-pfälzischen Ramstein gesteuert werden, dem Nato-Stützpunkt, an dem freilich die USA alles zu sagen haben. Doch nicht nur das. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bietet die Patriot-Raketen als deutsches Scherflein zu diesem System an, das „Schild“ zu nennen wohl euphemistisch und übertrieben ist.

Welche neuen Erkenntnisse über die Notwendigkeit des Abwehrsystems de Maizière nun vorliegen, dass er so vorprescht, ist unbekannt. Die iranischen Raketen, um die es angeblich einzig geht, sind in der hiesigen Rüstungsdebatte bestenfalls Phantome, über deren Funktionsfähigkeit lustig spekuliert werden darf. Auf welcher Grundlage die deutsche Öffentlichkeit nun wohl darüber mutmaßen soll, was Nutzen und Frommen des Raketenschilds sein könnten?

Je nun, sie soll nicht. Es könnte der Eindruck aufkommen, das Raketenabwehrsystem sei eine Art Rüstungs-Dinosaurier: eine Idee, die zurückreicht in die Epoche megalomanischer Rüstungsprojekte, groß genug, der Blockkonfrontation Ausdruck zu verleihen. Immerhin ist das aktuell skizzierte Programm nur noch eine Schrumpfversion vom „Krieg der Sterne“ des republikanischen Präsidenten Ronald Reagans. Wobei die derzeit kursierenden Summen im dreistelligen Millionenbereich, die das Projekt die europäischen Länder kosten soll, sicherlich unrealistisch sind und einen reinen Besänftigungscharakter haben.

Um an diesem System teilzuhaben, vielleicht mitzubestimmen und gegebenenfalls Aufträge für die deutsche Industrie herauszuschnitzen, riskiert neben der Nato nun aber auch die Bundesregierung Ärger mit Russland. Russische Minister haben immer erklärt, dass sie das Abwehrsystem nur akzeptieren, wenn man sie mitmachen lässt. Doch dazu mochte sich im Westen bislang niemand durchringen. Auch darin ist das Projekt ein echtes Kind des Kalten Krieges. Der doch seit 20 Jahren vorbei sein soll.

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