Mächtigste Frau im deutschen TV

„Keine Angst vor starken Frauen“, lautet die Botschaft von RTL

Anke Schäferkordt kann ganz schön sparsam gucken. Vor allem, wenn sie bei Medienkongressen zum x-ten Mal dieselben Themen zu diskutieren hat und ihr von ihren Gegnern das Pauschalargument vorgehalten wird, Privatfernsehen sei vor allem eins – bigotte Scheiße nämlich, mit der arme Unterschichtsfamilien auf die „Super Nanny“ losgelassen werden.

Doch derlei Auftritte wird sich die Herrin über die deutschen Sender mit dem RTL-Logo demnächst noch weniger sparen können als bisher: Schäferkordt, 49, ist ab sofort die mächtigste Frau im deutschen Fernsehen und übernimmt ab April auch parallel den Chefposten bei der gesamten RTL-Group mit ihren 23 TV-Kanälen in diversen Ländern Europas. Das hatte der ehemaligen BWLerin, die vor über 30 Jahren in Gütersloh beim RTL-Mutterkonzern Bertelsmann im Controlling anfing, zum Karrierestart niemand gesungen.

Gesungen hat sie dafür selbst: Als Schäferkordt 1997 beim RTL-Schwestersender Vox die Leitung übernahm, siechte das Programm mit der roten Kugel eher mal vor sich hin. Schäferkordt, die aus dem bodenständigen Lipperland stammt, setzte damals so ziemlich alles auf eine Karte und ab 2000 auf die schräge US-Anwaltsfrauenserie „Ally McBeal“. Und weil dort gern mal ein Lied geträllert wurde, ging auch Vox mit großem Chor auf Roadshow vor den Werbekunden. Und Anke Schäferkordt tanzte den Allie McBeal – Vox war plötzlich der It-Sender. Damals sagte Schäferkordt kokett, der Weg nach ganz oben müsse ja nicht sein, schließlich werde da die Luft auch immer dünner.

Doch das war Vox, nach dem Wechsel an die Spitze des großen Bruders RTL 2005 waren wieder Hosenanzüge angesagt – und Schäferkordt vermerkelte zusehends. Experimentierfreude überlässt RTL bis heute lieber der Konkurrenz von Sat.1, „Ally McBeal“-Aktionen sind längst eher undenkbar. Dafür stimmt die Rendite der werbefinanzierten Senderfamilie außerordentlich. Und auch der Umbau in Richtung neuer Geschäftsfelder, die die Abhängigkeit vom nicht mehr ganz so taufrischen Werbespot lindern sollen, läuft mit einigem Erfolg. Der neue Platz an der internationalen RTL-Spitze und im Bertelsmann-Vorstand ist der Dank. Dort weiß man, dass Schäferkordt weiß, was sie will: Vorstandschef Thomas Rabe habe „keine Angst vor starken Frauen“, lautet die Botschaft aus Gütersloh. STG

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