Dresdner Bürger sind froh, Neonazis sind frustriert

PROTEST Polizei nach Dresden-Demos: Diesmal keine Datenaffäre. Nazigegner feiern ihren Erfolg

DRESDEN taz | Die sächsische Polizei hat bei den Anti-Neonazi-Protesten am Montag in Dresden anders als im Vorjahr keine sogenannten Funkzellenauswertungen beantragt oder durchgeführt. Das sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Dresden am Dienstag der taz: „Diese Maßnahme hat es in diesem Zusammenhang nicht gegeben und wird es nicht geben.“ Da bei den Protesten keine schweren Straftaten erfolgt seien, gebe es für Funkzellenabfragen „keine rechtliche Grundlage“. Anders als 2011, als die Polizei im Umfeld von Demonstrationen rund eine Million Handyverbindungsdaten von über 300.000 Menschen ausgewertet hatte, war es am Montag in Dresden völlig friedlich geblieben.

„Deeskalation ging auf“

Bis zu 6.000 Menschen hatten am Montagabend mit Blockaden dafür gesorgt, dass rund 1.600 Neonazis in Dresden nur eine deutlich verkürzte Demonstrationsroute abschreiten konnten. Zuvor hatten rund 13.000 Menschen im Dresdner Stadtzentrum mit einer 3,6 Kilometer langen Menschenkette ein Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gesetzt. Nach Angaben der Polizeidirektion Dresden gab es dabei keine Verletzten und lediglich zehn vorübergehende Festnahmen. Die Landtagsabgeordnete Eva Jähnigen (Grüne) lobte das Deeskalationskonzept der Polizei, das zum friedlichen Verlauf der Demonstrationen beigetragen habe.

Beim Bündnis „Dresden Nazifrei“ konnte am Dienstag fast nichts die gute Stimmung trüben. Besonders erfreut zeigte sich Organisator Andreas Kahrs über das Interesse von mehr als 2.000 Teilnehmern am erstmals erlaubten Stadtrundgang „Täterspuren“, mit dem auf Dresdner Orte mit nationalsozialistischer Vergangenheit hingewiesen werden sollte. „Wir wollen in Zukunft Teil des Gedenktages werden“, sagte Kahrs.

Mit besonderer Genugtuung blickt man in dem Bündnis auf den offenkundigen Zwist in der rechtsextremen Szene. Auf dem Rückweg zum Bahnhof waren in Reihen der Neonazis Rufe wie „Die haben uns wieder verarscht!“ gefallen. Die Verbitterung gegenüber dem rechten „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“, das die Nazidemonstration organisiert hatte, spiegelt sich auch im Internet wider. „Es war von Grund auf eine Enttäuschung und eine Schande!“, wird auf dem rechtsextremen Internetportal „Thazi-Forum“ geschimpft.

„Machen uns zum Gespött“

In dem größten Szeneportal wettert ein vermeintlicher „Franz Schwede“ ebenso: „Wir machen uns zum Gespött, wenn wir dies als einen Erfolg werten.“ Auch die Organisatoren räumten ein, die äußeren Umstände hätten „erwartungsgemäß zu erheblichen Beeinträchtigungen geführt“. Stefan Thiele vom Nazifrei-Bündnis zeigte sich zufrieden: „Die Rechten haben offensichtlich keine Antwort auf unser Blockadekonzept.“

Ob das stimmt, könnte sich am kommenden Samstag zeigen. Nach unbestätigten Informationen des Bündnisses Dresden Nazifrei soll es angeblich Hinweise darauf geben, dass Rechtsextreme unter der Hand doch für den kommenden Samstag mobilisieren.

Das Bündnis ruft daher für 11 Uhr zu einer Demo am Hauptbahnhof auf. Von dort soll es zum „Haus der Begegnung“, der Linken-Zentrale, gehen, um gegen ausufernde Überwachungsmaßnahmen in Sachsen zu demonstrieren. Um 13 Uhr beginnt auf dem Schlossplatz eine von vielen Parteien und Gruppen getragene Großkundgebung.

M. BARTSCH, K. LITSCHKO, A. SPEIT

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