Todesschuss nach Vorwarnung

US-Untersuchungsbericht zur Erschießung des italienischen Geheimdienstmanns Nicola Calipari in Irak vorgelegt. Italienische Regierung kündigt eigenen Bericht an

ROM taz ■ Anderswo gibt’s Geldbußen für schnelles Fahren und Telefonieren am Steuer. Im US-kontrollierten Bagdad steht darauf der Todesschuss. Das jedenfalls ist dem am Samstag veröffentlichten US-Untersuchungsbericht zur Erschießung des italienischen Geheimdienstmanns Nicola Calipari zu entnehmen. Calipari fiel am 4. März der Salve einer US-Patrouille zum Opfer, als er die gerade aus Geiselhaft befreite Journalistin Giuliana Sgrena zum Flughafen brachte.

Nachdem am Freitag die US- und die italienische Regierung erklärt hatten, sie hätten sich in der gemeinsamen Untersuchungskommission nur darauf einigen können, dass es keine Einigung über den Tathergang gibt, legten die Amerikaner jetzt ihre „Erkenntnisse“ auf den Tisch. Viel zu schnell gefahren, dazu durch Handy und „Gespräche im Auto“ abgelenkt, deshalb trotz Warnzeichen nicht gebremst – da war der Beschuss unvermeidlich, „in Übereinstimmung mit den Einsatzvorschriften“. Eben jene Vorschriften wollte das Pentagon aber nicht offen legen. Außerdem behauptete es, Satellitenaufnahmen des Geschehens lägen nicht vor. Zugleich aber verbreitete CBS jetzt unter Berufung auf „Pentagonquellen“ das Gegenteil: 96 km/h soll der italienische Wagen laut Luftaufnahmen gefahren sein.

Damit endet eine Untersuchung, in der die USA als einzige Quelle die Aussagen jener Soldaten offen legte, die für die Todesschüsse verantwortlich sind, während zugleich aber immer wieder mit „Indiskretionen“ gespielt wird, die die italienische Version widerlegen sollen. Fest steht, dass gerade nach der US-Version vor den Schüssen gar keine Zeit zur Reaktion blieb.

Vor diesem Hintergrund hat die Regierung Berlusconi für heute einen italienischen Bericht zu dem Vorfall angekündigt, der den Dissens zwischen den USA und Italien festschreiben wird. In einer Note machte Italiens Außenminister Fini deutlich, dass über die gesamte Dynamik des Vorfalls aus Rom entgegengesetzte Auskünfte zu erwarten sind: Der Wagen – so die Aussagen des überlebenden zweiten Geheimdienstmanns und Giuliana Sgrenas – sei langsam gefahren und ohne Vorwarnung beschossen worden. Italiens Regierung wird in ihrer harten Haltung gegen die USA nicht nur von den Koalitionsparteien, sondern auch von der Opposition unterstützt. MICHAEL BRAUN