Neonazis marschieren durch Leipzig

1.000 Rechtsextremisten, angeführt von Christian Worch, demonstrieren am 1. Mai in Leipzig. Die Polizei setzt gegen Gegendemonstranten Wasserwerfer ein und nimmt 30 Linke in Gewahrsam

LEIPZIG taz/rtr ■ Als sich die Neonazis in Bewegung setzen, feuern die Gegendemonstranten Leuchtraketen und schleudern Wurfgeschosse. Die Polizei setzt Wasserwerfer ein, räumt den Platz und nimmt etwa 30 Gegendemonstranten in Gewahrsam. Die Leipziger stellen sich bis 18 Uhr noch an zwei weiteren Punkten der Demonstrationsroute den Rechtsextremisten in den Weg. Die meisten friedlich auf der Straße: der Fußballverein Roter Stern Leipzig, die Seniorengruppe GAA (Golden Age Antifa), schwarze Blöcke Autonomer – doch auch Bürger, die von der Gewerkschaftskundgebung auf dem Augustusplatz zu den Gegendemonstranten dazukommen. 4.000 Menschen sind es insgesamt, die gegen den Aufmarsch von 1.000 Nazis demonstrieren. „Connewitz erreichen die nie“, sagt einer der Gegendemonstranten, der am Ohr blutet.

Stunden zuvor, gegen Mittag, brüten die rund 1.000 Neonazis dreieinhalb Stunden lang in der Sonne am Leipziger Hauptbahnhof, dann gehen einigen die Nerven durch: Sie versuchten mit Gewalt, die Polizeikette zu durchbrechen, um endlich losmarschieren zu können. Vergeblich. Die größtenteils kahl rasierten Männer müssen weiter dem Gastredner zuhören, der Münteferings Kapitalismuskritik lobt. Um 12 Uhr sollte es losgehen. Beinahe vier Stunden später traben die Nazis langsam los – nachdem die Polizei die rund 1.500 Gegendemonstranten von dem City-Ring drängen konnte.

„Bevor die Auflagen nicht erfüllt sind, marschiert hier gar nichts“, hatte Polizeisprecher Thomas Böhme zuvor angekündigt. Die Neonazis dürfen keine Springerstiefel tragen, müssen verfassungswidrige Tätowierungen abdecken und darauf achten, wie dick ihre Fahnenstangen sind. Mehr als 3 Zentimeter sind nicht erlaubt. „Die Beamten werden das im Ernstfall nachmessen“, sagt Böhme. Der Hamburger Neonazi Christian Worch, der zum 13. Mal eine Demonstration in Leipzig angemeldet hat, liebt die Selbstinszenierung. Mit einem schwarzen Bogart-Hut steigt er auf zwei Plastikkästen und späht mit einem Feldstecher über den Bahnhofsplatz hin. Dort skandieren rund 1.500 Gegendemonstranten „Nazis raus!“. Worch trägt eine Mappe unterm Arm, in die er die Gerichtsunterlagen zur Demonstration geheftet hat. Erst am Freitagabend hatte das Oberlandesgericht entschieden, dass er doch – gegen den Willen der Stadt – bis zum linksalternativen Stadtteil Connewitz marschieren darf. Worch sagt, bevor sich der Zug seiner „Kameraden“ in Bewegung setzt, dass er Leipzig zum „Demonstrationsschwerpunkt“ auserkoren hat – gerade wegen des großen Widerstandes in der Stadt. SAT