Exotisches Täterland

AUSSENSICHT Die „Germany Issue“ des jüdischen US-Magazins „Heeb“ ist nicht wirklich Avantgarde

Klar, die Fotostory mit den verbrannten Judenkeksen, serviert von einer als Hitler maskierten Roseanne Barr – einem jüdischen Sitcom-Star – war ein Schocker. Das Kalkül ging auf. Die Blogosphäre stürzte sich auf das Foto, stritt und diskutierte, und Heeb war in aller Munde. Mit der Germany-Ausgabe vom Juli nahm das US-Lifestylemagazin rund um jüdisch-amerikanische Themen volle Fahrt auf.

Zunächst zur Namensklärung: „Heeb“ ist die Verballhornung von „Hebe“, einem Schimpfwort für Juden – es steht für das neue Selbstbewusstsein jüdisch-urbaner Kultur in New York City. Mit der Deutschland-Ausgabe tischt das Team um Chefredakteur Joshua Neuman ein für seine Zielgruppe durchaus exotisches Thema auf, nämlich das Land der Täter, Germany.

Anlass dazu gab Quentin Tarantinos neuer Film „Inglourious Basterds“, in dem er sich über die in den USA beliebten Nazistreifen und Heldenepen lustig macht. Wo Tarantino neue Wege geht, bleibt Heeb hinter bekannten Wahrnehmungen zurück. So entdecken die Autoren – die genau die bloggenden Großstadtkids sind, die ein aufwendig produziertes Papiermagazin wie Heeb wohl selbst nur online lesen würden – mit Erstaunen, dass Berlin für junge Israelis eines der hippsten Ziele ist, um ein paar Jahre Pause vom Nahostkonflikt zu machen. Nicht gerade Avantgarde, nachdem deutsche und israelische Magazine dieses Phänomen bereits vor über fünf Jahren ausgiebig bestaunten.

In einer nicht repräsentativen Runde von deutschen und US-amerikanischen Testlesenden löste denn auch die Tatsache, dass Maxim Biller prominent im Heft auftaucht, so etwas wie Gähnen aus. Genauso wie das Editorial, in dem Neuman schreibt, wie erstaunt er war, dass es in den meisten Rückmeldungen von Lesenden zum Thema Deutschland um Holocaust und Nazis geht. Und dass er sich frage, ob es noch Sprengkraft habe, ein jüdisches Heft über Germany zu publizieren, ohne den Holocaust zu erwähnen.

Heraus kam dabei ein Heft, das sich ausschließlich mit Berlin befasst, genauer, sich lustig macht über die krude Provinzialität des deutschen Tätervolks. Da wäre zum Beispiel gleich zu Beginn das schwarz bebilderte Backrezept: „Die Endlösung – Deutscher Schokoladenkuchen“, mit einer ernsthaften Back- und Dekoanleitung für Schokotorte mit Karamelsplittern, die Glasscherben ähneln. Oder die Wurstanthologie mit Tipps, in welche Körperöffnungen welche Wurst am besten passt, recherchiert von Joanna Angel, dem Lieblingspornostar der Redaktion. Oder die als Wichsvorlage angebotene Fotostrecke bleicher, behaarter, leicht übergewichtiger Männer, betitelt „Das Dreamboot“.

Alles nicht irre shocking, wenn man aus Berlin kommt. Offenbar aber ein Akt subversiven Humors, wenn man im prüden New York oder nebenan im noch biederen New Jersey lebt.

ADRIENNE WOLTERSDORF