Scharon-Kritiker räumt Ministersessel

Aus Protest gegen den Abzugsplan aus dem Gaza-Streifen verlässt Nathan Scharansky die israelische Regierung. Bei seinem ersten Staatsbesuch in Israel bietet sich der türkische Premier Tayyip Erdogan erfolglos als Vermittler im Nahen Osten an

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Nathan Scharansky wird fortan nicht mehr in Israels Kabinett sitzen. Mit Überraschung nahm Premierminister Ariel Scharon gestern den Rücktritt des Ministers (ohne Aufgabenbereich) entgegen, der eine Mitverantwortung für den Abzugsplan aus dem Gaza-Streifen ablehnte. Gestern Nachmittag beendete der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan mit Gesprächen in Ramallah seine zweitägige Nahostreise. Am Vortag war Erdogan mit dem israelischen Präsidenten Mosche Katsaw und Premierminister Scharon zusammengetroffen.

Scharon informierte in der gestrigen Regierungssitzung die Minister über den Rücktritt Scharanskys. Er betonte dessen „große Errungenschaften für Israel und das jüdische Volk“ und Scharanskys Beitrag im Kampf gegen den Antisemitismus. „Wir stehen vor einer schrecklichen Spaltung der Nation“, schrieb Scharansky in seinem Rücktrittsgesuch. Der Abzugsplan werde „einen gefährlichen Preis fordern“ und „den Terror anstacheln“. Um sich daran nicht mitschuldig zu machen, müsse er die Regierung verlassen.

Der Einfluss von Scharansky, der 1986 aus der Sowjetunion nach Israel immigriert war, war in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Nach der Spaltung seiner Partei „Israel B’Alija“, die nur noch zwei Mandate hatte, schloss er sich Anfang des Jahres dem Likud an. Damit habe sich ein Kreis geschlossen, so Scharansky. Seine Partei habe stets auf „die Integration der Immigranten“ abgezielt. Nach knapp zehn Jahren sei sie überflüssig geworden. Der freie Ministerposten wird von einem Likud-Abgeordneten besetzt werden. An den Kräfteverhältnissen im Kabinett ändert sich nichts.

Die Räumung der Siedlungen im Gaza-Streifen sowie vier weiterer jüdischer Ortschaften im nördlichen Westjordanland soll Mitte August beginnen. Bei seinem gestern beendeten Israel-Besuch äußerte der türkische Premierminister die Hoffnung, dass der Abzug in Absprache mit den Palästinensern vorgenommen wird. Erdogan forderte seine israelischen Gesprächspartner auf, Palästinenserpräsident Mahmud Abbas mit Geduld entgegenzukommen, damit dieser seine Sicherheitsverpflichtungen erfüllen könne.

Fast zu einem Eklat war es an Erdogans erstem Besuchstag gekommen, als sich die türkische Delegation am Eingang zur Erinnerungshalle der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem weigerten, eine Kipa aufzusetzen. Das Ritual beim Besuch der Al-Aksa-Moschee am Montag fiel dem türkischen Premier hingegen deutlich leichter. Ohne nachdenken zu müssen, streifte er sich die Schuhe ab, bevor er das muslemische Gebetshaus in der Altstadt von Jerusalem betrat.

Der Zwischenfall in Jad Vaschem tat dem Erfolg des ersten Staatsbesuchs Erdogans in Israel keinen Abbruch. Beide Seiten kamen sich erwartungsgemäß vor allem auf wirtschaftlicher Ebene näher. Eine rund 100-köpfige Wirtschaftsdelegation hatte Erdogan begleitet. Die Handelsbilanz zwischen den Ländern liegt derzeit bei etwa 2 Milliarden Dollar. Zu den geschlossenen Abkommen gehört die Lieferung türkischer Militärflugzeuge im Wert von 500 Millionen Dollar.

Ähnlich wie Israels Staatsgast Wladimir Putin vergangene Woche schlug Erdogan eine Nahost-Konferenz in seiner Heimat vor, was erneut auf israelische Ablehnung stieß. Israels Außenminister Silvan Schalom, den Erdogan am Montag vor seiner letzten Station in Ramallah traf, betonte jedoch die mögliche Rolle der Türkei, „das Verhältnis zwischen Israel und den Palästinensern“ sowie zwischen Israel „und der gesamten arabischen Welt zu verbessern“.