Reifen sorgen für feinen Staub

Stockholm hält den Staubrekord trotz frischer Brise. Grund: Spikes rauen den Asphalt auf

STOCKHOLM taz ■ Dank der Lage an der Ostsee bläst in Stockholm meist ein reinigendes Lüftchen. Dennoch sind in der Innenstadt einige Straßenschluchten so feinstaubbelastet, dass nicht einmal München oder Stuttgart mithalten können. An zwei Straßen wurde das Feinstaublimit von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bis Ende April sogar mehr als fünfzigmal in diesem Jahr überschritten. Der Höchstwert lag bei 245,5 Mikrogramm. „Hat man asthmatische Kinder, sollte man ernsthaft überlegen, ob man überhaupt noch hier wohnen will“, rät Christer Johanson von der städtischen Umweltbehörde. Diese fordert seit Jahren vergeblich, dass etwas geschieht. Jetzt könnte sich das ändern.

Bislang wurden alle Vorschläge gegen die feinen, krank machenden Partikel vorzugehen, ad acta gelegt – mit dem einfachen Hinweis, es handele sich nur um ein „Aprilproblem“. Denn an vielen Messpunkten der Stockholmer Innenstadt wird die zulässige Feinstaubmenge zwar mehrfach im Jahr überschritten, am schlimmsten ist es aber tatsächlich im April.

Woran das liegt? Schweden hat im Vergleich zu Deutschland relativ wenig der rußenden, also staubenden Diesel-PKW. In Skandinavien sind die Betriebskosten nicht so billig wie hier. Der Feinstaub-Übeltäter dort: Spiker-Reifen. In den strengen Wintern Nordschwedens sind sie nahezu ein Muss. Zumeist werden sie erst Erst Ende April gegen die Sommerreifen ausgetauscht – und rubbeln daher die zum Ende des Winters staubtrockenen Innenstadtstraßen auf. So produzieren sie eine permanente Wolke aus Asphalt-, Sand- und Metallpartikeln. Ein Verbot oder eine Strafsteuer sind schon lange in der Diskussion. Beides findet aber im Parlament keine Mehrheit. Stockholm prüft nun, ob nicht wenigstens ein Alleingang der Hauptstadt möglich ist und die Parkgebühren für spikebereifte Autos erhöht werden.

Autofahrer müssen sich in der schwedischen Hauptstadt ohnehin umgewöhnen. Ab 3. Januar 2006 wird dort eine Innenstadtmaut getestet. Je nach Tageszeit müssen für die Einfahrt in die City dann umgerechnet zwischen ein und zwei Euro bezahlt werden.

Dabei handelt es sich um ein System mit elektronischen Erfassungsgeräten, bei dem die regelmäßigen Benutzer monatlich eine Rechnung nach Hause geschickt bekommen. Es ist ein Versuch, die immer häufigeren und längeren Verkehrsstaus und die wachsende Umweltverschmutzung in den Griff zu bekommen. Macht sich demnächst eine Minderung der Feinstaubbelastung bemerkbar, wird die dauerhafte Einführung der City-Maut wahrscheinlicher. Über sie entscheiden die StockholmerInnen nach der sechsmonatigen Testphase in einer Volksabstimmung. REINHARD WOLFF