Leer und schön

NICHT-AUSSTELLUNG Die Exponate sind in den Gropius-Bau gewandert, jetzt lädt das Bauhaus-Archiv in der Klingelhöferstraße zur Kontemplation ein

Vermutlich ist das auch eine Parabel über den Gerangel der Epochen in einer zunehmenden Eventisierung des Stadtraums. Im Gropiusbau, dem des Vaters, ist nun jene Ausstellung zu sehen, die so entscheidend vom Wirken des Sohns durchzogen ist. „Modell Bauhaus“ verhandelt das Wesen der Moderne anhand einer nicht nur unter ästhetischen Aspekten maßgeblichen Institution. Eine große Schau zu einem runden Geburtstag. 90 Jahre alt wird das Bauhaus in diesem Jahr, dessen Direktor Walter Gropius in den prägendsten Jahren war. 30 Jahre wird das Berliner Bauhaus-Archiv.

Und deshalb ist dieser andere Gropiusbau, der des Sohns, in diesem Sommer leergeräumt. Die Modelle und Entwurfszeichnungen aus der Sammlung des Bauhaus-Archivs am Landwehrkanal liegen nun zwei Straßenecken weiter im schinkelschülerschönen Martin-Gropius-Bau, dem 1881 eröffneten damaligen Kunstgewerbemuseum. Das Archivgebäude selbst steht nun Besuchern offen. Einfach so, ganz ohne Sammlung und Schau. „Schön anzusehen“ heißt diese Nicht-Ausstellung, dessen einziger Protagonist das postum nach Plänen von Walter Gropius realisierte Gebäude ist.

Zweckbau statt Heiligtum

Doch das Haus bleibt ein wenig verlassen zurück. Nicht nur, weil sich im Innenhof ausgebaute Lüftungsschächte stapeln und ein beinahe in schönster Bauhausfarbigkeit angestrichener Bauwagen darauf verweist, dass man die Ausstellungspause auch als Renovierungsphase nutzt.

Intuitiv denkt man an das Neue Museum und an diese postreligiösen Eucharistiefeiern, mit denen gerade eben noch die leeren Hallen auf der Museumsinsel zu jenen Kathedralen der Aufklärung stilisiert worden waren. Lang waren im März die Schlangen jener, die dort ein Museum – und eben nicht das dort Musealisierte – bestaunen wollten. Karg und kühn war das Neue Museum in Szene gesetzt. Stararchitekt David Chipperfield hatte neben aller konservatorischen und intellektuellen Aufmerksamkeit der Lust am monumentalen Erlebnis Genüge getan.

Womit man wieder am Landwehrkanal und im Bauhaus-Archiv angekommen ist. Denn das kleine und vor allem kleinteilige Archivgebäude taugt – vermutlich wäre das Walter Gropius auch ganz recht – so überhaupt nicht zur monumentalen Erlebnisarchitektur. Und dementsprechend angestrengt klingt es, wenn der Audioguide die „markante Silhouette“ des Betonbaus mit dem Shedhallen-Dach zu einem „Wahrzeichen Berlins“ stilisiert. Um es mit den Worten eines spanischen Ehepaars zu sagen, das, die Eintrittskarten zu „Modell Bauhaus“ noch in der Hand, gerade vom Gropiusbau herübergekommen ist: „Oh, this isn’t the Neue Nationalgalerie“.

Bessere Gestaltung

Aber anderseits – „Ein Museum ist ein Zweckbau und kein Heiligtum“, sagte Hans Maria Wingler, der das Bauhaus-Archiv 1960 in Darmstadt gegründet hatte, um auch der westlichen Welt einen konstituierenden Ort der Bauhaus-Erinnerung zu geben. Und der Ende der Siebzigerjahren nach Berlin gekommen war, um hier das dazugehörige Gebäude zu realisieren.

Und in der Tat, „schön anzusehen“ ist das 1979 eröffnete Bauhaus-Archiv tatsächlich. Genau so, wie die von Dieter Rams entworfenen Braun-Geräte schön anzusehen sind. Oder Peter Raackes Mono-Besteck, das es gleich im Museumsshop zu kaufen gibt. Gerade in der vergeblichen Erhöhung zur Ikone wird aus dem Bauhaus-Archiv ein kleinerer Ort, als er es tatsächlich ist. Als Erinnerungsarchitektur an diese große Utopie der Moderne, durch eine bessere Gestaltung auch eine bessere Welt zu gestalten, ist dieser Ort wichtig und, ja, „schön anzusehen“.

CLEMENS NIEDENTHAL

■ „Schön anzusehen“: bis zum 4. Oktober, mittwochs bis montags 10 bis 17 Uhr im Bauhaus-Archiv – Museum für Gestaltung, Klingelhöferstraße 14, 10785 Berlin