Drei Knacker auf Beutetour

In Hagen steht die so genannte Opa-Bande vor Gericht: drei Senioren zwischen 64 und 74 Jahren,die insgesamt 15 Banken überfallen haben sollen. „Unser Bestreben war es, Schrecken zu verbreiten“

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Sie sind die wohl ältesten Bankräuber Deutschlands: drei Männer zwischen 64 und 74 Jahren, die sich seit gestern vor dem Hagener Landgericht verantworten müssen. Zwischen 1988 und 2004 soll das Senioren-Trio, das als „Opa-Bande“ in die Kriminalgeschichte einging, insgesamt 15 Banken im Sauerland und in Ostwestfalen überfallen und ausgeraubt haben – stets bewaffnet bis an die dritten Zähne: mit Handgranate, Maschinenpistole, Vorschlaghammer und Axt.

„Unser Bestreben war es, Schrecken zu verbreiten“, sagte der 73-jährige Wilfried A. zum Prozessauftakt. Allerdings hätten sie sich vorher abgesprochen, nicht zu schießen und keine körperliche Gewalt anzuwenden. Menschen kamen bei den Raubzügen tatsächlich nie zu Schaden. Trotzdem gingen die Senioren nicht gerade zimperlich vor: Sie stürmten die Banken und zertrümmerten das Panzerglas der Schalterkabine mit einem Vorschlaghammer. Dafür zuständig war der Älteste der Truppe, Rudolf R. aus Iserlohn. Seinem gebrechlichen Äußeren zum Trotz bildete der 74-Jährige die „Sturmspitze“ und besorgte Waffen, meistens alte Kriegsmodelle. Damit kennt sich der Rentner aus: „Ich habe viel geschossen, schon als 15-Jähriger“, sagte er. Im Krieg hätten Waffen ja überall rumgelegen.

Wenn sich Rudolf R. nicht gerade im Schießen übte oder den Hammer schwang, reparierte er in seiner Iserlohner Werkstatt alte Motoren. Mit der Zeit kamen ihm jedoch die Malaisen des Alters zunehmend in die Quere. Einmal sei er vor einer Bank auf einer gefrorenen Pfütze ausgerutscht – und kaum wieder hoch gekommen. Außerdem, erzählte Wilfried A., hätten sie auf der Flucht andauernd anhalten müssen: „Rudi hatte Probleme mit der Prostata und musste ständig pinkeln.“

Kennen gelernt hatten sich die einschlägig vorbestraften Rentner im Knast. Dort saßen sie wegen verschiedener Vermögensdelikte ein. Als sie wieder draußen waren, beschlossen sie, gemeinsam ein paar „Banken zu machen“. Einmal jährlich trafen sie sich am Dortmunder Hauptbahnhof, um die nächsten Raubzüge auszubaldowern. Auf Beutetour ging es ausschließlich in der dunklen Jahreszeit, im Herbst und Winter. Kurz vor Kassenschluss drangen die Täter in Banken ein – und nutzten die schützende Nacht zur Flucht.

Über die Taten reden wollten gestern nur zwei der Angeklagten. Der Jüngste im Bunde, Lothar A., äußerte sich zunächst nicht. Dafür zeigte sich Wilfried A. äußerst redselig. „Hauptursache meiner Schandtaten war Angst“, sagte er. Seine Psyche sei „einfach labil“, außerdem habe er seine magere Rente aufbessern wollen. Von seinem Teil des Geldes – insgesamt erbeutete das Trio rund eine Million Euro – kaufte Wilfried A. mehrere Maschinen, Tiere und einen Hof in der Nähe von Bielefeld. Hier wollte der Senior offenbar seinen Lebensabend verbringen – nach mehr als 40 Jahren, die er bereits im Gefängnis verbracht hat.

Rudolf R. hatte hingegen ein anderes Motiv: Rache. 1969 habe er mit den Überfällen begonnen, nachdem er für vier Jahre „unschuldig“ eingesessen habe. Verurteilt wurde er damals wegen eines – Banküberfalls. Danach habe er sich die Wiedergutmachung holen wollen. Als zum Schluss aber immer weniger raussprang bei den Überfällen, überlegte das Trio auch, auf andere Weise an Geld zu kommen und zum Beispiel einen Geldtransport zu überfallen. „Aber da braucht man eine andere Bewaffnung“, erklärte Wilfried A. Deshalb habe es irgendwann geheißen: „Fahr‘ doch in den Kosovo, hol‘ eine Panzerfaust – da war doch Krieg.“ Daraus wurde aber nichts: Im November vergangenen Jahres wurde das Trio von der Sonderkommission „Opa“ vor einem neuen Coup gefasst.

Angesichts ihrer Vorstrafen und des Ausmaßes ihrer Straftaten werden die Angeklagten mit hohen Haftstrafen rechnen müssen. Wie lange sich der Prozess noch hinziehen wird, ist fraglich. Es sind Zeugen aus allen ausgeraubten Filialen geladen. Wenn überhaupt noch alle angehört werden müssen. Schließlich sind zumindest zwei der drei Angeklagten geständig.