Explosive Traumata

Japanische Lyrik: „Mono“ gastiert, mal blühende, mal verkohlte Landschaften zeichnend, in der Weltbühne

Man sollte die Motivation junger japanischer Bands nicht unnötig oft in den Atombombenabwürfen der Amerikaner auf Hiroshima suchen. Dennoch gibt es da Zusammenhänge. Bei Mono etwa ist die Assoziation berechtigt: Das japanische Quartett spielte bereits im Herbst 2004 vor einer Hand voll Leute in der Weltbühne, um ihr drittes Album namens Walking cloud and deep red sky, Flag fluttered and the sun shined vorzustellen.

Der anfangs supersofte Flow, den das Quartett zwischen Gitarren-Ambient und Noise ansiedelt und mit Streicher-Einheiten anreichert, wird zum Angriff und zum Crescendo, das in seiner Wucht erschreckend überzeugend wirkt. Die Musik entwirft akustische Landschaften, filigran und figurativ – mal blühend, mal verkohlt. Die beredten Instrumentaltracks gleichen Entwicklungsromanen. Es sind Explosionsstudien in Zeitlupe, die ein Trauma zerlegen.

Oft wurde diese Musik als „Soundtrack für das Ende der Welt“ beschrieben. Ihre mit dem dritten Album eingeschlagene Richtung bedeutet aber eher einen Neuanfang. Es ist dieses Spiel mit extrem unterschiedlichen Lautstärke-Pegeln, Themenwiederholungen, Taktverschiebungen und Melodieschleifen, die den Sog ausmachen.

War das zweite Album One more step and you die noch ein Akt der Gewalttätigkeit, gibt es nun lyrischere Passagen; manche Melodie klingt, als habe man sie einst auf der Samise gezupft: kühl, entrückt und schön. Die Gitarristen Takaakira Goto und Yoda, die Bassistin Tamakis und der Schlagzeuger Yosunori Takadas ließen sich von der Story „Sadako and the thousand paper cranes“ inspirieren. Es ist die Geschichte eines japanischen Mädchens, das 1955 die durch die Atomstrahlung entstandene Leukämie zu überwinden trachtete, indem es 1.000 Papierfiguren faltete.

Carsten Klook

Do, 5.5., 22 Uhr, Weltbühne