Politiker dürfen weiter bestochen werden

KORRUPTION In Deutschland ist das Vorgehen gegen Abgeordnetenbestechung unzureichend geregelt. Heute debattiert der Bundestag einen entsprechenden Antrag, doch die Parteien sind zerstritten

„Peinlich, dass wir seit 2003 keine Regelung hinbekommen haben“

CHRISTINE LAMBRECHT, SPD

BERLIN taz | Für lange Zeit war Theo Waigel aus der Öffentlichkeit verschwunden, nur wirklich enge Fans des ehemaligen Bundesfinanzministers wussten von seinem Job als Siemens-Korruptionsbeauftragter. Vor einigen Wochen setzte sich der alte CSU-Recke dann an den Schreibtisch und kümmerte sich um ein brisantes Thema: Bestechungsversuche an Abgeordneten. Einen fertigen Gesetzestext, ohne Briefkopf, ohne politische Bewertung, schickte er in der Union herum. Tenor: So könnte man die Sache doch endlich mal regeln.

Waigel packt damit ein Thema an, das in Deutschland noch immer nicht sauber geregelt ist. Denn bisher ist nur der direkte Stimmkauf strafbar. Wenn aber etwa Lobbyisten Abgeordnete bestechen wollen oder sich einen Vorteil versprechen lassen, geschieht nichts. Die Lücke in der Rechtsprechung ist auch Ursache dafür, dass Deutschland nie die entsprechende UN-Konvention unterschrieben hat, die bereits seit 2003 besteht. Verschiedene Koalitionen versuchten das Thema zu lösen – ohne Erfolg.

Am heutigen Freitag ist es wieder einmal so weit: Der Bundestag debattiert einen neuen Antrag zur Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung. Diesmal kommt er von der SPD. Demnach sollen Bestechungsversuche mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. „Es ist peinlich, dass wir seit 2003 keine Regelung hinbekommen haben“, sagt die SPD-Abgeordnete Christine Lambrecht.

Auch diesmal wird es nicht gelingen, die Parteien können sich auf keine einheitliche Linie einigen. Aus der Union gibt es Kritik am SPD-Vorschlag: Der sei zu unpräzise bei der Definition der Straftat. „Der Entwurf schafft keine klaren Abgrenzungskriterien“, sagt CDU-Rechtspolitikerin Andrea Voßhoff. Intern ist dagegen zu hören, dass die Union dem Vorschlag nicht grundsätzlich abgeneigt ist – die Notwendigkeit einer Lösung ist nicht erst seit dem Brief Waigels bekannt. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert hat sich bereits eindeutig für eine Regelung ausgesprochen. Allerdings sperre sich der Koalitionspartner FDP: „Die wollen überhaupt keine Verschärfung“, heißt es resigniert in Unionskreisen.

Doch selbst in der Opposition ist man sich uneinig. Linke und Grüne hatten bereits vor der SPD einen Antrag eingebracht – deren Vorstoß begleiten sie nun mit Spott: „Willkommen an Bord“, sagt der Grüne Jerzy Montag. Inhaltlich sei der SPD-Vorschlag schlechter als der eigene. Die SPD kontert, die Entwürfe der Grünen seien „zu wenig präzise“.

Einen Konflikt will man natürlich nicht sehen: „Die Unterschiede sind marginal“, sagt die SPD-Frau Lambrecht. Immerhin sei die Debatte angestoßen. Und auch der Grüne Montag sagt, man brauche nun dringend „eine Situation, in der die Mehrheit im Bundestag sagt: ‚Ja, wir brauchen eine Regelung.‘“

Klar ist: Am heutigen Freitag ist eine Einigung noch ganz weit weg. Trotz des Briefes vom alten CSU-Minister. GORDON REPINSKI