Lesben sind nicht gleichgestellt

HOMOPHOBIE Jeder zweite Homo- oder Bisexuelle ist schon diskriminiert worden. Experten fordern bessere Ausbildung der Pädagogen und Angebote in der Jugendhilfe

„Eine aktive Wertschätzung der verschiedenen Lebensformen konnte noch nicht erreicht werden“

VON JAN ZIER

Mehr als die Hälfte aller Schwulen, Lesben und Bisexuellen in Bremen sind selbst schon beschimpft oder gar körperlich attackiert worden. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, für die im Auftrag des Sozialressorts mehr als 1.200 BremerInnen detailliert über ihre Lebenssituation befragt wurden. Um der Homophobie entgegenzuwirken, sollen nun „verstärkt aufklärende Maßnahmen“ ergriffen werden, schreibt das Sozialressort in einer Vorlage für die morgige Senatssitzung. ExpertInnen sehen vor allem in der Ausbildung von PädagogInnen sowie in Jugendfreizeiteinrichtungen konkreten Handlungsbedarf.

Die genauen Ergebnisse der Studie werden zwar erst Ende des Monats veröffentlicht. Doch schon jetzt sei klar, dass die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Homo- und Bisexuellen in Bremen „noch starke Defizite“ aufweise, sagen SPD und Grüne. Der Anteil jener unter ihnen, die selbst schon diskriminiert wurden, sei relativ hoch. „Eine aktive Wertschätzung der verschiedenen Lebensformen konnte noch nicht erreicht werden“, heißt es in der Senatsvorlage schlussfolgernd. Dabei hat sich gerade Rot-Grün in der Vergangenheit verstärkt um rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen bemüht.

Insbesondere junge schwule Männer hätten ein erhöhtes Risiko, diskriminiert zu werden, sagt Annette Mattfeld vom Rat- und-Tat-Zentrum in Bremen, dass die Befragung durchgeführt hat. Zugleich sei das Thema Homosexualität in der Schule immer noch „kein Muss“. Ob es im Unterricht behandelt werde, hänge also sehr stark von den persönlichen Interesse der einzelnen LehrerInnen ab. „Das muss sich ändern“, so Mattfeld. In Diskussionen mit SchülerInnen – gerade mit solchen migrantischen Hintergrunds – kämen heute verstärkt grundsätzlich ablehnende Werte-Debatten auf.

Der Senat wolle nun darauf hinwirken, LehrerInnen „verbindlich zum Umgang mit sexueller Vielfalt“ zu befähigen, heißt es in der Vorlage. Das muss bereits im Studium beginnen, fordert Mattfeld. Doch auch der jüngste „Leitfaden zur Sexualerziehung“ für bremische LehrerInnen datiert von 1987. Mittlerweile wurde er vom Bildungsressort als veraltet aus dem Verkehr gezogen, schon vor drei Jahren hieß es dort, er werde gerade überarbeitet. Immerhin gibt es jetzt einen Termin, bis zu dem das Landesinstitut für Schule eine zeitgemäße Fassung vorlegen will: „Bis Jahresende“.

Arge Defizite gibt es ExpertInnen zufolge auch im Kinder- und Jugendhilfebereich. Derzeit hat Bremen gar keine eigenständig geförderten Angebote für lesbische, schwule und bisexuelle Jugendliche, sagt das Sozialressort. „Die müsste es aber geben“, sagt Mattfeld. Doch gerade männlichem Personal in solchen Institutionen falle es oft schwer, über Schwule zu reden. „Die Türen sind da noch verschlossener“, sagt Mattfeld. Jugendfreizeitheime nähmen sich des Themas oft nur dann an, wenn konkrete Vorfälle passiert sind.

Und noch an einer anderen Stelle sieht Mattfeld Handlungsbedarf: Dort, wo alte Menschen wohnen. „Es steht eine Generation von Menschen in den Startlöchern, die hier massive Forderungen stellt.“ Dabei gehe es weniger darum, eigene Wohnangebote für Homosexuelle zu schaffen. „Es geht um die Ansprache“, sagt Mattfeld. Sie möchten als KundInnen „mit gemeint sein, auch angesprochen werden“.