Gorleben: Salzabbau jetzt verboten!

Die Bundesregierung hält sich die Option offen, das umstrittene Endlager für Atommüll in Niedersachsen zu bauen

HANNOVER taz ■ Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hat mit einer Entscheidung zum Endlagerstandort Gorleben für Enttäuschung bei Atomkraftgegnern gesorgt – und Kritik bei den grünen Parteifreunden ausgelöst. Auf Vorschlag von Trittin beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch eine so genannte Veränderungssperre für den Gorlebener Salzstock.

Diese Verordnung, der die Zustimmung des Bundesrates sicher ist, untersagt im Gebiet um Gorleben Arbeiten in tieferen Schichten des Erdreichs. Damit werden der immer noch als potenzieller Endlagerstandort eingestufte Salzstock und die darüberliegenden Gesteinsschichten ab einer Tiefe von 50 oder auch 100 Metern vor allen Veränderungen bewahrt. Konkret verboten hat der Bundesumweltminister über die Sperre den Salzabbau, den die Salinas Salzgut GmbH im Auftrag des Salzeigentümers Andreas Graf Bernstorff in Gorleben plant.

Die Veränderungssperre war zwar bereits im Atomkonsens vorgesehen, den die Bundesregierung und AKW-Betreiber vor fünf Jahren vereinbarten. Seinerzeit versprach die Bundesregierung aber auch, die Suche nach einen Standort für das zentrale deutsche Atommüllendlager noch einmal von vorn zu beginnen. Gorleben – mit seiner bekanntermaßen für die Atommüllendlagerung schlechten Geologie – sollte in einem ergebnisoffenen Verfahren mit weiteren potenziellen Endlagerstandorten verglichen werden. Dass nun die Veränderungssperre kommt, die neue Endlagersuche aber weiter nicht in Sicht ist, hat selbst grüne Parteifreunde Trittins verärgert. Die niedersächsische Grünen-Landesvorsitzende Brigitte Pothmer stufte die Sperre gestern als „ein falsches politisches Signal“ ein, weil das versprochene Endlagersuchgesetz immer noch auf sich warten lasse. Im Atomkonsens seien die Sperre und die neue Suche nach einem Endlagerstandort vereinbart worden. Diese sei aber noch nicht einmal auf den Weg gebracht. „Das kritisieren wir“, sagte Pothmer.

Der Vorsitzende der niedersächsischen Grünen-Landtagsfraktion, Stefan Wenzel, nannte die Sperre „rechtlich fragwürdig“. Mit Blick auf eine Trittin-Äußerung erinnerte Wenzel daran, dass gerade erst ein Mitglied des Bundeskabinetts das Gorlebener Endlagerbergwerk als Schwarzbau bezeichnet habe. „Schwarzbauten genießen keinen Rechtsschutz“, betonte Wenzel. Auch die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms sagte: „Vor der Veränderungssperre hätte erst das Endlagersuchgesetz kommen müssen.“ Ohne die versprochene neue Endlagersuche sei die Sperre nur ein Hinweis darauf, „dass am Standort Gorleben festgehalten wird“.

Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg kritisierte, durch die Sperre werde Gorleben „ohne Not als Endlagerstandort zementiert“. Nach den Worten von BI-Sprecher Francis Althoff macht die Sperre klar, dass „die Bundesregierung weiter die Errichtung eines Endlagers in Gorleben in Betracht zieht“. Es sei skandalös, dass die versprochene Suche nach Alternativstandorten immer noch auf sich warten lasse.

Die Salinas Salzgut GmbH bereitet sich bereits auf einen Rechtsstreit um die neue Verordnung vor. Man werde zunächst eine Ausnahmegenehmigung für den geplanten Salzabbau beantragen, sagte gestern der Rechtsanwalt der Gesellschaft, Thomas Hauswaldt.

Wenn diese Genehmigung, wie zu erwarten, verweigert wird, will Salinas vor Gericht ziehen. Im Zuge des Gerichtsverfahrens werde dann auch die Veränderungssperre selbst auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Die Salinas GmbH ist durch die jetzige Entscheidung in ihrer Existenz gefährdet. „Das droht uns die Geschäftsgrundlage zu entziehen“, sagte Hauswaldt.

JÜRGEN VOGES