karten aus kasachstan
: Himmlisch wird sie sein, die Farbe der Revolution

Viele große Themen werden auf dieser Medienkonferenz in Almaty besprochen, nur die Probleme der regierungskritischen Presse nicht

Dariga Nasarbajewa ist die Präsidententochter und Medienzarin Kasachstans – und „strategische Direktorin“ einer schicken dreitätigen Konferenz mit dem Titel „Eurasien Media Forum“. Die Themen reichen von Möglichkeiten und Grenzen des Journalismus angesichts der Tsunami-Katastrophe und schwerer Terroranschläge bis zur Bedeutung des „Brandings“ für Nationalstaaten, der Kreation von „Images“ in Zeiten globaler Konkurrenz. Mehr als 300 Vertreter internationaler Massenmedien hat Frau Nasarbajewa eingeladen, die örtlichen Journalisten aus Almaty sind allerdings nicht im Konferenzsaal dabei. Sie sitzen ein Stockwerk höher in einem abgeschirmten Pressepool. „Es ist absurd“, sagt Igor Winijawski, „dass ich hier als akkreditierter Journalist im Pressepool einer Medienkonferenz bin und niemandem mein Produkt zeigen darf.“

Winijawski ist Redakteur bei der regierungskritischen Zeitung Sös (Das Wort). Er sitzt mit seiner Kollegin Galina Dyrdina von Respublika in einer Sitzgruppe unweit des Pressepools, neben dem Aufzug, der alle paar Sekunden läutet, und beschreibt die aktuelle Situation. Wegen vermeintlicher Diffamierung hätten sie eine Klage am Hals, sagt er, fünf Millionen Tenge (etwa 38.000 Euro). Auch Dyrdina erzählt von einem Strafverfahren. Die Zeitung Respublika stehe praktisch ständig vor dem Aus. „Mir ist nicht klar“, meint sie, „warum auf diesem Forum nicht die Probleme des Journalismus in Kasachstan besprochen werden.“

Der Zettel, den sie verteilt, lädt auf ein alternatives Briefing ein, an einen anderen Ort in der Stadt, zu dem zwei Autobusse fahren. Erwartet werden Anhänger der Opposition, die sich kürzlich unter der Plattform „Für ein gerechtes Kasachstan“ zusammengeschlossen haben.

Es dauert, bis sie kommen. Nur der Politiker Altynbek Sarsenbajew ist schon da und überbrückt die Zeit mit ein paar allgemeineren Statements. Jemand verteilt Zettel, auf dem laufende Strafverfahren gegen Oppositionszeitungen aufgelistet sind. Ein weiteres Blatt informiert über geplante Veränderungen des „Gesetzes zur nationalen Sicherheit“ und über das bereits verabschiedete Wahlgesetz, das dem Text zufolge „das Recht der Bürger auf die Durchführung von Meetings und friedliche Versammlungen in der Zeit der Wahlen sehr beschränkt“. Dann füllt es sich. Kameras werden aufgestellt, und die Oppositionsführer betreten mit einiger Verspätung gehetzt wirkend den Raum. Im Publikum sitzen Menschenrechtler, inländische Journalisten, auch eine Journalistin des Economist. Beinahe so etwas wie Aufregung entsteht, als ein BBC-Journalist hinzustößt, zeitgleich mit einer Delegierten des US-amerikanischen Nixon-Centers.

„Lassen Sie doch mal die ausländischen Freunde ran“, meint die Vorsitzende eines örtlichen Selbsthilfeprojekts, als Fragen gestellt werden können. „Diese Unterscheidung ist doch diskriminierend“, entgegnet ihr eine kasachstanische Journalistin von Internews. Der BBC-Journalist schreibt flink die Sätze der spontan eingesprungenen Übersetzerin mit. „Ist es möglich“, fragt er, „dass anders als in Kirgisien keine Revolution, sondern ein evolutionärer Weg zur Macht verfolgt wird?“

„Wir haben Nasarbajew einen Dialog vorgeschlagen, aber er sollte auf gleicher Höhe stattfinden. Solange Leute von uns im Gefängnis landen, besteht der moralische Grund, jeden Dialog zu verweigern.“ Und, fragt er, wird es eine Revolution in Kasachstan geben? „Ja. Ihre Farbe wird himmlisch sein.“

MATTHIAS ECHTERHAGEN