Gezackte Diener

Die Museumsinsel soll erweitert werden. Eine Ausstellung im Pergamonmuseum zeigt Entwürfe von Architekturstudenten – und stellt die zentrale Frage: Wie reagieren auf die Monumentalität?

VON GLORIA ZEIN

Jenseits des Kupfergrabens, südlich des Bodemuseums wird neue Architektur entstehen. Bibliothek und Verwaltung der Museumsinsel sollen Raum finden, auch ein Galeriegebäude für die Werke alter Meister ist vorgesehen. Bevor nun der offizielle Wettbewerb zur Neugestaltung des Geländes der ehemaligen Friedrich-Engels-Kaserne beginnt, sind 38 Entwürfe von Architekturstudenten zu sehen, präsentiert vom Bundesamt für Bauwesen und den Staatlichen Museen. So lassen sich bereits im Vorfeld städtebauliche Fragen erörtern – und nicht zuletzt die der Identität der Museumsinsel.

Auf deren Monumentalität reagierten die Studenten entweder mit dezentem Rückzug auf das Festland oder mit trotziger Selbstbehauptung. Einmal wird der historische Museumskomplex in seinem Autismus bestätigt, und Kaserne und Neubauten rahmen und stützen die Inselarchitektur. Expressivere Entwürfe hingegen versuchen, den Glanz der historischen Museen durch einen neuen Einzelbau in die Stadt zu verlängern.

Man hatte sich inspirierende Radikalität und Kühnheit von den ortsfremden Studenten erhofft, zumal die frei von den Zwängen von Bauordnung und Denkmalschutz sind. Doch die Ideen sind eher pragmatisch, nur das breite Spektrum der ausgestellten Arbeiten versöhnt. Bereits die Einladungskarte mit 38 winzigen, schematischen Lageskizzen verrät, dass das Interesse der Ausstellung in der Verschiedenheit der vorgeschlagenen Bebauungspläne liegt: Von den zwei schwarz gekennzeichneten Gebäudeflügeln der denkmalgeschützten Kaserne heben sich rot die projektierten Neubauten ab.

Studenten der Technischen Universität Dresden zeigen Varianten zum baulichen Abschluss der Kaserne. Von einer Passage als Weg durch das Gelände getrennt, positionieren sie ihre Baukörper als Pendant zu den erhaltenen Kasernenbauten. Die vorrangig dienende Funktion der Gebäude wird durch eine Gestaltung formuliert, die sich den Ausstellungsbauten auf der Insel unterordnet und Monumentalität vermeidet. Kirsten Fischer hat diesen Ansatz weiter gedacht und den städtischen Block durch eine „netzartige Struktur“ vervollständigt, durch Wege, Höfe und eine Brücke als Teil der Gemäldegalerie. Ihre „Museumshöfe“ haben souveräne Eigenständigkeit, ohne mit Stüler, Schinkel, Ihne oder Messel konkurrieren zu wollen.

Zwei Studenten der Architekturfakultät von Texas in Austin experimentieren in einem ebenfalls geschlossenen, aber hermetischer wirkenden Gelände mit großzügigen Freitreppen im geschützten Kernbereich. Hier atmet ein Geist von Hauptstadt und Repräsentanz. Dagegen stehen einige Entwerfer der Harvard Design School Cambridge – „Libeskinder“ nannte sie Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der Staatlichen Museen, bei der Eröffnung. Gezackte Grundrisse und dekonstruktivistisch gesplittete Etagen sind hier zu sehen. Bei James Sink äußert sich die Lust an freier Formgebung in einem Grundriss, der wie ein Cannabisblatt aussieht. Seine perspektivische Darstellung einer länglich-gewölbten Hallenkonstruktion entlang der Bahntrasse macht deutlich, dass Sink eher den Dialog mit der modernen Hauptstadt als mit historischen Bauten sucht.

Wie er sieht auch Jeffrey C. Lee den Abbruch der Kaserne vor, um das Gelände zur Spree hin zu öffnen. Auf dem nun dreieckigen Baugrundstück positioniert er einen Kubus, außen arrangiert er einen öffentlichen Platz, ein Uferwäldchen, einen Innenhof und eine Promenade. In seiner Konsequenz und Geschlossenheit ist Lees Monolith eine selbstbewusste Antwort auf die Monumentalität der Museen jenseits des Kupfergrabens – und zugleich eine interessante Fortsetzung der Heterogenität von Berlins Mitte.

Beim Verlassen dieser kleinen, aber feinen Ausstellung im Pergamonmuseum schweift der Blick über Bahntrasse, Spree und historische Blockrandbebauung hinüber zum Palast der Republik. „Zweifel“ hat Lars Ramberg dort installieren lassen – ein Begriff, der unseren Umgang mit Identität und den Bauten der Vergangenheit trefflich fasst.

Pergamonmuseum, Nordflügel: bis 22. Mai