LESERINNENBRIEFE
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Grüne Urwahl wäre charmant

■ betr.: „Roth will Spitze werden“, taz vom 9. 3. 12

Ja, eine grüne Urwahl wäre charmant. Aber nicht unter diesen Vorzeichen. Claudia Roths Vorstoß ist der Tatsache geschuldet, dass ein paar Realos gerne Renate Künast absetzen würden, aber vergessen haben, eine Alternative zu benennen, sofern es denn eine gäbe. Und er ist der Tatsache geschuldet, dass die Presse mehr und mehr Jürgen Trittin als neuen grünen Tausendsassa hochgeschrieben hat. Und nur Jürgen allein? Da bräuchten wir ja eine Forderung nach einer Frauenquote gesellschaftsweit erst gar nicht mehr zu stellen. Davon abgesehen: Die Fischer-allein-Jahre waren basisdemokratisch auch nicht gerade der Bringer. Für mich ist eine flügelübergreifende Doppelspitze alternativlos. Und da wir an Jürgen nicht vorbeikommen, ist die Frau, mit der er zusammen an der Spitze stehen kann, völlig klar. Der überfällige Generationswechsel wird damit ein Projekt für die nächste Fraktion werden. JÖRG RUPP, Malsch

Lieber Duo als Spitzenquartett

■ betr.: „Grüne sehen Roth“, taz vom 12. 3. 12

Wenn sich die Grünen nicht selbst schwächen möchten und wieder unter die 10 Prozent fallen, sollte man sich nicht für Claudia Roth als Spitzenkandidatin entscheiden. Allgemein sollte die Partei sowieso darüber nachdenken, aus dem Spitzenquartett ein Duo zu machen und dabei zumindest ein neues und junges Gesicht zu präsentieren, ob Weibchen oder Männchen ist dabei zweitrangig.

MARKUS MEISTER, Berlin

Na, es geht doch!

■ betr.: „Ikea-Arbeiter schließen weltweite Allianz“, taz vom 9. 3. 12

Na, es geht doch! Passend zum Frühlingserwachen können wir weitere Sonnenstrahlen spüren, die Hoffnung machen! Als Verbraucher sind wir zu inhomogen, um eine Lobby gegen die supranationalen Konzerne bilden zu können. Aber die Gewerkschaften können es! Wenn sie sich darauf besinnen, nicht in ungezählten Stunden um 1,9 Prozent zu streiten. Wenn sie sich nicht nur für ihre eigenen Mitglieder verantwortlich fühlen! NORBERT VOSZ, Berlin

Beihilfe zur Selbstzerstörung

■ betr.: „Streit über Praxisgebühr“ u. a., taz vom 10. 3. 12

Längst fällige Abschaffung, schnellstens! Berücksichtigt werden müssen nämlich zahlreiche nachzuweisende Ausnahmeregelungen, ferner Zahlungssäumige, Zahlungsverweigerer, Gerichtskosten, steuerliche Absetzbarkeit bei den Sonderausgaben usw.

Verlierer dieses Flops sind zunächst die Patienten, die mit dieser Zuzahlung eine versteckte Erhöhung der Beiträge zu den gesetzlichen Krankenkassen hinnehmen mussten. Sponsoren sind aber auch die Arztpraxen, die als kostenlose Inkasso-Filialen der Krankenkassen die Hauptarbeit des Geldeintreibens mit allen Konsequenzen übernehmen mussten. Denn zum Ausgleich dieser Einnahmen wird ihnen ja die gesamte Praxisgebühr vom Honorar der Krankenkassen abgezogen; sie finanzieren also eine Maßnahme, die die Kranken von ihnen fernhalten soll! Eine gesetzgeberisch verordnete, akzeptierte Beihilfe zur Selbstzerstörung. Gering effizient war diese Abschreckungsgebühr offensichtlich nur bei den Ärmsten der kranken Bevölkerung. Gesunde Bürger werden mit populistischem Gezänk nicht zu Wechselwählern, sehen eher ihre Politikerverdrossenheit steigen. JÖRG WIEHMEYER, Regensburg

Wer entscheidet im Zweifel?

■ betr.: „Verhedderte Problemlagen“, taz vom 10. 3. 12

„Verheddert“ ist die Problemlage in der Tat, da ist Bernd Pickert überhaupt nicht zu widersprechen. Im Detail sieht es dann aber anders aus. Das fängt schon mit seinem Blick auf Libyen an. War es denn nicht im Hinblick auf die Begleitumstände der Bombenangriffe und die unter deren Deckung verübten Gräueltaten sowie erst recht im Hinblick auf die Folgen, die augenblicklich in diesem Land zu beobachten sind, nicht doch erheblich mehr als nur „bedauerlich, Gaddafi aus dem Amt zu bomben“? Bernd Pickert meint, „die Menschen in Syrien bezahlten für erzwungenes Nichthandeln“. Wie kann er so etwas sagen angesichts eines veritablen Bürgerkriegs, in dem doch grausam gehandelt wird und zwar genau wie in Libyen gegen die Bevölkerung, in dem längst nicht nur die alte Macht keinerlei Rücksicht auf Verluste an Menschenleben sowie deren Hab und Gut nimmt, sondern in dem auch die Grausamkeit der eingeschleusten Söldner hinter der der alten Macht in keiner Weise zurücksteht?

Bernd Pickert beantwortet auch die Frage, ob es „legitim sei, den Sicherheitsrat zu umgehen“, um ein Eingreifen von „militärisch potenten Staaten“ zu möglichen mit: „Aus der Sicht der attackierten Bevölkerung auf jeden Fall.“ Die aber wird ja von zwei Seiten attackiert. Ob ihr da mit der Verstärkung der Angriffe der einer Seite geholfen wäre? Auch hier legt die frische Erfahrung mit Libyen doch eher das Gegenteil nahe.

Schließlich plädiert Bernd Pickert für ein Primat von „moralischer vor völkerrechtlicher Legitimation“. Aber: Wer würde denn im Zweifelsfall da entscheiden? Da würde es eher einen substanziellen Fortschritt bedeuten, das Vetorecht im Sicherheitsrat abzuschaffen. Dann gäbe es endlich auch keine Vetos mehr aus der Richtung, aus der die meisten Vetos kommen, nämlich von den USA! Dann könnte vielleicht auch das „Nahost-Problem“ endlich auf gerechtere Weise in Angriff genommen werden. ORTWIN ZEITLINGER, Berlin