Absurdes Kammerspiel

Anziehung in hermetischem Kosmos: „selbstinschuld“ von Choreographie-Star Antje Pfundtner auf Kampnagel

Der Pianist malträtiert das Klavier, schlägt mit der Stirn auf die Tasten, während eine Frau sich hinter dem Kasten emporhangelt und selbstvergessen Arme und Beine um des Musikers Nacken schlingt. Ein seltsam absurdes Kammerspiel von Beckett‘scher Theatralität und Sinnverweigerung entwickelt Hamburgs neues Choreographie-Talent Antje Pfundtner in ihrem jüngsten Stück selbstinschuld, das in der vergangenen Woche auf Kampnagel uraufgeführt wurde.

Rückwärts, den Rücken tief gebeugt, Hintern voran, hatten sich die fünf Protagonisten eingangs aufs Publikum zugeschoben. Devot und provozierend zugleich. Die Choreographin Pfundtner liebt das Spiel mit der Doppeldeutigkeit. Selbstinschuld ist im Sprachgebrauch ihrer Heimatstadt Dortmund eine freundliche Schuldzuweisung und klingt wie eine logische Konsequenz aus ihrer ebenfalls auf Kampnagel produzierten Solochoreographie eigensinn, mit der sie im vergangenen Jahr zu der deutschen Neuentdeckung im zeitgenössischen Tanz avancierte.

Die eigene charmante Dickköpfigkeit hat Pfundtner in ihrem ersten Gruppenstück nun auf drei weitere Tänzer und einen Musiker übertragen. Erst auf den zweiten Blick schimmert durch, was die fünf – neben Pfundtner sind das Trinidad Martinez, Silke Hundertmark, Volkhard Samuel Guist und Dayton Alleman – an tänzerischer Virtuosität zu bieten haben.

Gerade genug an Material bekommen sie von der Choreographin an die Hand, dass sie in der Balance zwischen Abstraktion, Charakterzeichnung und Geschichtenerzählen ein Geheimnis bewahren. Dann lächeln die AkteurInnen erwartungsvoll ins Publikum, während sie am Boden liegen und in regressiver Selbststimulierung hin und her ruckeln. Vom Mensch zum Tier braucht es nur ein paar Gesten. Zwischen der königlichen Eleganz eines Raubtiers und hündischer Unterwerfung liegt gerade mal eine plötzliche Kontraktion in der Magengrube.

Unendlich schwierig aber scheint es, sich aus eigener Kraft von den Knien auf die Füße zu ziehen. Dann und wann findet sich wie zufällig ein Paar – so wie die Tänzerin den Pianisten –, verhakt sich ineinander und trudelt eine kurze Strecke gemeinsam in einer Gesellschaft, in der ansonsten jeder selbstgenügsam seine Bahnen zieht. Gegenseitige Anziehung ist dennoch spürbar in diesem hermetischen Kosmos.

Als besonders tragfähig erweist sich das musikalische Konzept des Komponisten Dayton Alleman, der auch als Performer überzeugt. Marga Wolff

weitere Vorstellungen: 18.–21. 5., je 20 Uhr, Kampnagel