Türkische Onur Air wittert Chauvinismus

Angebliche Sicherheitsmängel, die zum Landeverbot in Deutschland und den Niederlanden führten, sind nicht nachweisbar. Es handle sich lediglich um „klappernde Gepäckfächer“, so die Airline. Ihr sei ein Verlust von mehreren Millionen Euro entstanden

„Wegen geringfügiger Mängel kann man nicht die ganze Flotte sperren“

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Nach tagelanger Aufregung um die türkische Fluggesellschaft Onur Air scheint jetzt eine Lösung in Sicht. Seit Mittwoch überprüfen holländische und deutsche Luftfahrtexperten in Istanbul die Beseitigung der beanstandeten Sicherheitsmängel. Heute Nachmittag, so sagten Beteiligte, werden sie damit voraussichtlich fertig. So hofft der türkische Verkehrsminister Binali Yildirim, dass das Flugverbot in Deutschland am Montag wieder aufgehoben wird.

Die Techniker haben das Wort, nachdem Pfingsten die Türkei deutlich zeigte, das sie sich düpiert fühlt. Die Empörung war groß, als die niederländische Flugaufsicht vor einer Woche alle Onur-Air-Maschinen in Holland festhielt und dann für die gesamte Airline ein Flugverbot verhängte. Ein Onur-Sprecher sprach von einem „chauvinistischen Vorgehen“. Er mutmaßte, mit dem Flugverbot solle der holländischen Konkurrenz Marktanteile „zugeschustert“ werden, die Onur Air zuvor erobert hatte.

Als Beleg führte er an, dass die holländische Fluggesellschaft Martinair sofort bereitgestanden habe, um 2.000 Passagiere zu übernehmen. „Nur weil an einer Maschine in Amsterdam geringfügige Mängel festgestellt wurden, kann man nicht gleich ein Flugverbot für die ganze Flotte verhängen“, findet Onur Air.

Dem schloss sich der Verkehrsminister an und verhängte vergangenen Freitag kurzfristig ein Landeverbot für holländische und deutsche Ersatzmaschinen, die Onur-Fluggäste in die Türkei bringen wollten. Der politische Eklat war perfekt. Bundeskanzler Gerhard Schröder und der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan schalteten sich ein und drängten auf eine schnelle Lösung.

Die holländische Flugaufsicht begründete ihr Verbot mit etlichen Mängeln, die in den letzten eineinhalb Jahren immer wieder aufgetreten seien. Worin diese genau bestanden, ist unklar. Die Liste wird nicht veröffentlicht. Kaputte Triebwerke und abgefahrene Reifen bei Flugzeugen von „östlich des Ural“, wie die Bild am Sonntag behauptete, werden von Onur Air dementiert. Es sei lediglich um klappernde Gepäckfächer gegangen. Auch soll nicht die Onur Air, sondern der Flughafen in Amsterdam für eine Panne im Triebwerk verantwortlich sein, die mit zum Flugverbot geführt hat. Das berichtet Hürriyet unter Berufung auf deutsche Experten. Offenbar lag ein Gegenstand auf der Startbahn. Die Airline verweist darauf, dass sich dem Flugverbot in Holland, Deutschland, Frankreich und der Schweiz andere europäische Länder nicht angeschlossen haben. Im Gegenteil erklärten Großbritannien, Dänemark, Belgien und Österreich, ihre Sicherheitsprüfungen hätten keinerlei Mängel ergeben.

Onur Air ist eine private Fluggesellschaft, die ähnlich wie Air Berlin in Deutschland in den letzten Jahren zur zweitgrößten Airline der Türkei aufstieg. Sie hat im Türkei-Chartergeschäft in Deutschland einen Anteil von 25 Prozent. Von dem bislang einwöchigen Flugverbot in den vier Ländern sind laut Onur Air fast 40.000 Passagiere betroffen. Sie werden nun überwiegend mit Ersatzmaschinen der Turkish Airline oder der beiden anderen türkischen Chartergesellschaften, Atlas Jet (Öger Tours) oder Fly Air, geflogen. Onur Air beziffert seine Verluste mit mehreren Millionen Euro, den „Vertrauensverlust gar nicht mitgerechnet“.