Schönes für das letzte Fest

TRAUEREDITION Zwei Hamburger haben sich die muffige Welt der Trauerkommunikation vorgeknöpft. Ihr Vorbild: Hochzeiten und Geburten. Da darf es ja auch schön sein

„Sei es bei der Hochzeit oder der Geburt, alles ist immer so gestaltet, dass es dem Brautpaar und den Eltern entspricht. Unser Hauptanliegen ist, auch für dieses letzte Fest schöne Produkte anzubieten“

MELANIE TORNEY, ANFANG ENDE

VON E. F. KAEDING

Früher war es so: Wer Geld hatte, der ließ sich persönlich verewigen im individuell gestalteten Mausoleum. Über allen anderen schloss sich der Spanplattendeckel des Einheitssargs. Heute ist der genormte Holzkasten passé, Trauer ist individueller geworden. Hinterbliebene können aus einer Vielzahl von Särgen auswählen, sogar das Bemalen von Urnen ist möglich. Nur eines hat sich kaum weiterentwickelt: die Trauerkarte. Die gibt’s immer noch am Kartenkarussel im Supermarkt, das gleiche Motiv, der gleiche Preis. Das Zwei-Personen Unternehmen „Edition Anfang Ende“ möchte das ändern.

„Sei es bei der Hochzeit oder der Geburt, alles ist immer so gestaltet, dass es dem Brautpaar und den Eltern entspricht“, sagt Melanie Torney, Designern bei Anfang Ende. Einzig bei der Trauerkommunikation gebe es überhaupt keine Individualität. „Unser Hauptanliegen ist, auch für dieses letzte Fest schöne Produkte anzubieten“, sagt die 35-Jährige und fährt mit ihrer Hand sanft über eine hellbraune Pappe aus Baumrinde mit Ginkgoblatt-Prägedruck und grüner Samtschleife.

Das Ginkgoblatt ist ein Symbol der Hoffnung. Es ist der Verkaufsrenner, und nur eins von vielen Motiven, von Farben und Papier-Arten, die Anfang Ende anbietet. Daneben finden sich handgezeichnete Illustrationen, Möglichkeiten für private Notizen, Familienalben oder Leporellos, kleine Falthefte mit Fotos des Verstorbenen von der Kindheit bis zum Alter. Was man nicht findet, sind schwarze Kreuze und meterdicker Trauerflor. „Wir wollen die lebensbejahende Philosophie der Hospizbewegung aufgreifen“, sagt Torney. Das Helle und Freundliche soll überwiegen. Abschied müsse nicht immer nur dunkel und schrecklich sein, erklärt sie. Trauer habe viele Farben.

Die Erneuerung scheint anzukommen: Bei einer Bestattungsmesse im vergangenen Jahr wurde der kleine Infostand des Unternehmens fast überrannt. Die Neugier ist groß, denn viel Veränderung gab es auf dem Gebiet der Trauerkommunikation in den letzten Jahren nicht.

Die Entwicklung sei einfach irgendwann stehen geblieben, sagt Torneys Geschäftspartner und Illustrator Carsten Seidel. Die Realität sei nach wie vor, dass der Bestatter mit einer Mappe vorbeikomme. Zur Auswahl stünden dann ein paar kitschige Motive aus der Trauer-Serie: Treppe zum Licht oder liegende Rose, dazu ein Sinnspruch. Die Wahl fällt unter Zeitdruck, danach rattert der Bürodrucker. Fertig ist der Abschiedsgruß. Der Preis ist hoch, der Wert gering.

Anfang Ende wollten es anders machen. Jetzt ist der Preis ähnlich dem industrieller Produkte, dafür aber seien ihre Artikel hochwertig und nachhaltig produziert, sagt Seidel. Vor allem aber sind sie persönlich zusammenstellbar und können auf die Person des Toten abgestimmt werden.

Torney sagt, das erste Mal habe sie sich richtig mit dem Thema Tod auseinandergesetzt, als ein guter Bekannter von ihr im Sterben lag. Freunde und Kollegen erkundigten sich zwar immer nach seinem Gesundheitszustand, zu ihm ins Krankenhaus aber habe sich kaum jemand getraut. „Ich hab gedacht: Wie schrecklich ist das, mit seinen Ängsten und Gedanken allein sein zu müssen. Warum kommen seine besten Freunde nicht vorbei?“ Sie will herausfinden, was sie als Designerin machen kann, um eine Auseinandersetzung über den Umgang mit dem Tod anzuregen.

Der Titel ihrer Diplomarbeit: Anfang Ende. Das Ergebnis: „Die Hinterbliebenen sollen die Möglichkeit haben, aktiv bei der Gestaltung der Trauervorbereitungen mitzuwirken.“ Carsten Seidel hat die Erfahrung selbst gemacht: Während er mit seiner Mutter die Trauerkarten für die Beerdigung seiner Tante zusammenstellte, stellte er Fragen über die Verstorbene, seine Mutter erzählte Anekdoten.

Niemand weiß, was nach dem Tod ist, sagt Torney. Einzig, dass er ein Wendepunkt ist im Leben. So wie eine Geburt. Sie wollen nicht gleich den kompletten Markt revolutionieren, betonen beide: „Wir wollen den Menschen nur die Möglichkeit geben zu einer persönlichem Abschiedsnahme.“