„Nicht einfach nur verscharren“

TOD Die Innere Mission schafft erstmals Grabstätten für obdachlose BremerInnen – zumindest für 96

Rund 20 wohnungslose BremerInnen sterben jedes Jahr auf den Straßen oder in den Sozialeinrichtungen Bremens. Deren Leichname kommen zunächst in die Rechtsmedizin, um von da aus im Rahmen eines Massenbegräbnisses auf einem anonymen Gräberfeld in einer Urne beigesetzt zu werden.

Manchmal werden auch mehrere Urnen irgendwo zwischen anderen Gräbern vergraben, sodass lediglich eine Grasnarbe im Boden an die Verstorbenen erinnert. „Wir finden es unerträglich, dass die Leute, wenn sie versterben, wie für immer verschwunden sind“, kritisiert Berthold Reetz von der Obdachlosenhilfe der Inneren Mission. „Somit haben Freunde und Verwandte keine Gelegenheit, Abschied zu nehmen, die Leute sind einfach weg und verscharrt.“

Die Idee zum Obdachlosengrab kam Berhold Reetz auf einer Tagung in Berlin: Er lernte dort einen Pastor kennen, dessen Gemeinde seit mehreren Jahren eine Grabstelle für Obdachlose betreibt. Zurück in Bremen entwickelte er ein Konzept und schickte die Bitte, eine geeignete Grabstelle zu finden, an den damaligen Bremer Umweltsenator Reinhard Loske. „Die Idee kam so gut an, dass wir schon ziemlich schnell eine Antwort bekamen“, erinnert sich Reetz.

Es wurde rasch eine geeignete Grabstelle an einem zentralen und gut gelegenen Platz auf dem Waller Friedhof gefunden. Mit Spenden von Bremer Bürgern und finanzieller Unterstützung der evangelischen Kirche konnte man die 10.000 Euro aufbringen, um die Grabstelle für 30 Jahre zu kaufen.

Das 16 Quadratmeter große Wiesenstück vor dem Grabstein soll insgesamt Platz für 96 Urnen bieten. „Für uns war wichtig, dass auch die Namen der Verstorbenen festgehalten werden“, erklärt Reetz. Für jeden von ihnen wird ein Stein in Buchform mit einer Namensinschrift angefertigt und am Grab angebracht. Gestaltet hat diese der unter anderem durch seine Wandbilder bekannte Bremer Künstler Jup Mönster zusammen mit einer Gruppe Langzeitarbeitsloser, die in der Baukunst-Abteilung der ProJob GmbH der Inneren Mission arbeiten. Außerdem soll ein vom Künstler gefertigtes Bild am Grabstein angebracht werden. Auf dem Bild, das aus drei Sandsteinplatten besteht, ist ein mit Einkaufstüten vollgehängter Kinderwagen vor einer untergehenden Sonne zu sehen.

„Ich hab extra diese Farben benutzt, weil diese Menschen die Paradiesvögel der Gesellschaft sind“, erklärt Mönster. Zunächst sei ihm gesagt worden, dass ein derart bunter Stein gegen die Friedhofsordnung verstoße – mittlerweile jedoch wird er von den Verantwortlichen akzeptiert. Noch in diesem Jahr sollen die ersten nicht-anonymen Beisetzungen für Bremer Obdachlose stattfinden. Benjamin Eichler