DER APOTHEKENKOMPROMISS IST KEINE NIEDERLAGE DER LOBBYISTEN
: Verzicht auf unverdiente Mehreinnahmen

„Kompetente Beratung, der Sie voll vertrauen können, finden Sie in Ihrer Apotheke“, wirbt die Apotheken Umschau, „die Bravo der 60- bis 80-Jährigen“ (Harald Schmidt). Gut beraten ist auch die Bundesvereinigung der Apothekerverbände, sich dieses Jahr statt mit 390 Millionen Euro Nachzahlungen mit knapp 40 zufrieden zu geben.

Die Nachzahlungen waren als Teil der Gesundheitsreform vereinbart worden, falls die Einnahmen bei rezeptpflichtigen Medikamenten 2004 hinter denen von 2002 zurückbleiben. Von derartigen staatlichen Einkommensgarantien können andere Freiberufler nur träumen. Dass sie im Gesundheitswesen üblich sind, verweist auf das undurchdringliche Dickicht von Pharmaindustrie, Apotheken- und Ärztelobbys, an der Gesundheitspolitik sich regelmäßig die Zähne ausbeißt.

Deshalb belegt der Kompromiss auch keinen Machtverlust der Apothekenlobbyisten. Vielmehr ist er der Einsicht geschuldet, dass deren stille Macht Schaden nehmen würde, wenn sie in der Öffentlichkeit als Inbegriff von Raffgier erschienen, weil sie eine Senkung der Krankenkassenbeiträge verhindern oder zumindest verzögern. Angesichts eines guten Geschäftsjahrs 2004, wo Einnahmenrückgänge bei verschreibungspflichtigen Medikamenten durch rezeptfreie Medikamente und private Kunden mehr als ausgeglichen wurden, beinhaltet der Verzicht auf unverdiente Mehreinnahmen für die meisten Apotheken ohnehin kein wirtschaftliches Risiko. Angesichts langfristig gedeckelter Ausgaben für kassenfinanzierte Arzneimittel liegen ihre Wachstumsmärkte sowieso im Bereich der Selbstmedikation der Verbraucherinnen und einer boomenden Wellness-Pharmazie.

Für die kranken Kassen bildet der jetzt gefundene Kompromiss hingegen nur einen schwachen Trost: Nachdem 2004 ihre Ausgaben für Arzneimittel stagnierten, ist in diesem Jahr wieder ein deutlicher Anstieg zu erkennen. Dafür sind nicht zuletzt die vielen Schein-Innovationen der Pharmaindustrie verantwortlich, bei denen Medikamente aufgrund minimaler Veränderungen erneut teueren Patentschutz genießen. HARRY KUNZ